08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
wir, Lady«, verkündete er fröhlich und ließ sie eintreten.
Im Vergleich zur Helligkeit an Deck war auch diese Kajüte noch düster, aber nicht so sehr wie die erstickenden Kajüten unter Deck. Das vergitterte Fenster besaß einen Leinenvorhang, der Abgeschiedenheit gewährte, aber zurückgezogen werden konnte, um mehr Licht hereinzulassen. Die Ausstattung bestand aus einer einzelnen Koje, einem Tisch und einem Stuhl. Das war spärlich, aber hinreichend, und wenigstens hatte sie frische Luft. Fidelma sah sich anerkennend um. Das war mehr, als sie erwartet hatte.
»Wer schläft hier sonst?« fragte sie.
Der Junge setzte ihre Tasche auf der Koje ab und zuckte die Achseln.
»Manchmal haben wir besondere Passagiere«, wehrte er ab.
»Wer schläft in der Kajüte auf der anderen Seite?«
»An Backbord? Das ist Gurvans Kajüte«, antwortete der Junge. »Er ist der Steuermann, ein Bretone.« Er wies zum Bug, wo sie die dritte Tür gesehen hatte. »Der Abort ist da vorn, dort ist ein Eimer drin.«
»Benutzt den jeder?« fragte Fidelma und rümpfte leicht die Nase bei dem Gedanken, wie viele Menschen auf dem Schiff waren.
Wenbrit grinste, als er merkte, warum sie fragte.
»Hier ist die Benutzung begrenzt. Ich sagte schon, daß es noch einen Abort im Heck gibt, also solltest du nicht zu oft gestört werden.«
»Wie sieht es mit Waschen aus?«
»Waschen?« Der Junge runzelte die Stirn, als habe er daran noch nie gedacht.
»Wäscht man sich denn nicht an Bord dieses Schiffes?« hakte sie nach. Wie die meisten Leute ihres Standes war Fidelma gewohnt, abends ein Vollbad zu nehmen und sich morgens kurz zu waschen.
Der Junge grinste verschmitzt.
»Ich kann dir jeden Morgen einen Eimer Seewasser zum Waschen bringen. Aber wenn du baden meinst … Also wenn wir im Hafen liegen oder die See ruhig ist, kannst du außenbords ein Stück schwimmen. Bäder haben wir nicht auf der ›Ringelgans‹, Lady.«
Fidelma nahm das resigniert hin. Von ihren früheren Seereisen her hatte sie vermutet, daß Waschen an Bord keinen hohen Stellenwert besaß.
»Darf ich dem Kapitän sagen, daß du mit der Kajüte zufrieden bist, Lady?«
Fidelma verstand, daß der Junge besorgt war. Sie schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.
»Ich sehe den Kapitän beim Mittagessen.«
»Aber die Kajüte?« fragte der Junge nach.
»Sie ist sehr zufriedenstellend, Wenbrit. Aber bemüh dich bitte, mich vor den anderen mit Schwester anzureden.«
Wenbrit legte die Hand zum Gruß mit den Knöcheln an die Stirn und grinste. Dann sauste er davon zu seinen anderen Pflichten.
Fidelma schloß die Kajütentür und schaute sich um. Das sollte also ihr Zuhause für die nächste Woche sein, vorausgesetzt, sie bekämen günstigen Wind. Es war gut zwei Meter lang und anderthalb Meter breit. Der Tisch, erkannte sie nun bei näherem Hinsehen, war eine klappbare Holzplatte an der Wand. In einer Ecke stand ein dreibeiniger Schemel, in einer anderen ein Eimer voll Wasser. Das war wohl zum Trinken oder Waschen gedacht. Sie probierte es mit dem Finger – es war Süßwasser, nicht Seewasser, also zum Trinken. Das Fenster in Brusthöhe ging auf das Hauptdeck hinaus. Es war etwa fünfzig Zentimeter breit und dreißig hoch und besaß zwei Stäbe. Eine Laterne hing an einem Metallhaken in einer Ecke, Zunderbüchse und Kerzenstummel lagen auf einem schmalen Wandbrett darunter.
Die Kajüte war gut eingerichtet.
Einen Moment fühlte sie sich schuldig, als sie an die Mönche und Nonnen dachte, die in stickige, lichtlose Kajüten unter Deck gepfercht waren. Doch das ging vorüber, und sie war dankbar, daß sie auf der Fahrt wenigstens frische Luft genießen konnte und ihr Quartier nicht mit jemandem teilen mußte.
Sie holte ihre Kleidung zum Wechseln aus der Tasche und hängte sie an den Haken an der Wand auf. Im Gegensatz zu manchen Frauen führte Fidelma keine Mittel zur Hautpflege mit sich – zum Beispiel roten Beerensaft zum Färben der Lippen –, wohl aber einen cíorbholg , eine Tasche für Kämme und Spiegel. Fidelma hatte gewöhnlich zwei verzierte Knochenkämme bei sich, nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern weil es bei ihrem Volke Brauch war, das Haar gut zu pflegen und nicht verfilzen zu lassen. Schönes Haar wurde sehr bewundert.
Wie die meisten Frauen ihres Standes schnitt und rundete Fidelma ihre Fingernägel sorgfältig, denn es galt als unanständig, eingerissene Nägel zu haben, doch ging sie nicht so weit wie manche, die sie rot färbten. Ebensowenig
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