08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
eilig den Niedergang hoch auf das Hauptdeck. Cian holte sie ein und legte ihr die Hand auf den Arm. Sofort zog sie den Arm zurück und blickte sich um, ob sie unbeobachtet seien.
Cian stieß ein leises, spöttischen Lachen aus.
»Du kannst mir nicht immer entkommen, Fidelma«, sagte er in dem zynischen Ton, an den sie sich nur zu gut erinnerte.
Fidelma sah ihm einen Moment in die Augen und senkte dann den Blick. Sie fühlte sich nach wie vor unsicher.
»Entkommen?« entgegnete sie verächtlich. »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Vielleicht hegst du noch einen Groll gegen mich wegen der Art, in der unsere Affäre endete?«
Fidelma spürte, wie sich ihre Wangen röteten. Seine Worte hatten sie tief getroffen.
»Daran denke ich schon seit Jahren nicht mehr«, log sie.
Cians spöttisches Grinsen wurde noch breiter.
»Deine Reaktionen verraten, daß das nicht stimmt. Ich lese Haß in deinen Augen. Haß entsteht nicht ohne Liebe. Beides gehört zusammen. Außerdem waren wir damals jung. Wenn man jung ist, macht man viele Fehler.«
Jetzt hob Fidelma den Kopf und begegnete seinem Blick, erstaunt über seine Selbstsicherheit. Zorn stieg in ihr auf.
»Dann führst du dein gefühlloses Benehmen einfach auf deine Jugend zurück?« fragte sie ihn.
Cian antwortete beinahe herablassend. »Komm schon. Ich dachte, du hättest nicht mehr daran gedacht.«
»So war’s auch, aber du willst die Sache anscheinend wieder aufrollen«, erwiderte sie. »Wenn du das willst, dann erwarte nicht von mir, daß ich irgendeine Rechtfertigung für dein Verhalten anerkenne, die du vorbringst. Ich habe es damals nicht akzeptiert und tue es heute ebensowenig.«
Cian hob die Brauen. »Rechtfertigung? Muß ich mich rechtfertigen?«
Fidelma spürte, wie noch mehr Zorn in ihr aufwallte, und zugleich ein überwältigendes Verlangen, so heftig sie nur konnte in sein lächelndes Gesicht zu schlagen. Sie wehrte sich gegen diese Regung. Das brächte nichts.
»Du meinst also, du brauchtest dich für nichts zu rechtfertigen?«
»Die Torheiten seiner Jugend muß man nicht rechtfertigen.«
»Eine Jugendtorheit?« Fidelmas Augen funkelten gefährlich. »Als das betrachtetest du unsere Beziehung?«
»Nicht unsere Beziehung, nur die Art, wie sie endete. Was sonst? Komm schon, Fidelma, jetzt sind wir erwachsen und klüger. Laß die Vergangenheit ruhen. Wir wollen nicht Feinde sein, das ist nicht nötig. Wir wollen doch keine Feindschaft auf dieser Fahrt.«
»Es gibt keine Feindschaft zwischen uns. Es gibt überhaupt nichts zwischen uns«, erwiderte Fidelma kühl.
»Komm.« Cian bettelte fast. »Wir können wieder Freunde sein wie zu Anfang in Tara.«
»Niemals!« Sie erschauerte »Ich habe keine Lust, mit dir zu reden. Du warst arrogant und unerträglich, als du jung warst, und du hast dich mit den Jahren offensichtlich nicht geändert.«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging rasch zu ihrer Kajüte, bevor er etwas antworten konnte.
Arrogant und unerträglich. Diese Worte erschienen ihr noch mild angesichts der Wut, die sie empfunden hatte, der Erniedrigung, der Kränkung, die sie erlitten hatte in jenen einsamen Tagen, in denen sie auf ihn wartete in dem Zimmer, das sie in der kleinen Herberge in der Nähe von Tara gemietet hatte, nachdem sie aus der Hochschule des Brehon Morann verwiesen worden war. Nach dem Gespräch mit Brehon Morann hatte sie das Studentenheim verlassen. Nur Grian kannte die wahre Ursache, denn Fidelma teilte nicht einmal ihrer Familie mit, was geschehen war. Sie wohnte zurückgezogen in dem winzigen Zimmer und brach den Verkehr mit der Familie und den Freunden ab, außer mit Grian. Cian kam und ging, wann er wollte. Manchmal sah sie ihn mehrere Tage nicht, sogar eine Woche und länger. Dann erschien er wieder und blieb ein oder zwei Tage. Als sie eines Nachmittags in ihrem Zimmer beieinanderlagen, hatte Fidelma die Frage der Heirat gestellt. Sie hatte Cian ihr Studium geopfert, und sie wußte, daß die Situation, in die sie sich gebracht hatte, nicht andauern konnte.
Sie hatte Cian gefragt: »Wirst du mich für immer lieben?«
Cian lächelte auf sie herab. Wieder dieses selbe, leicht spöttische Lächeln.
»Für immer ist eine lange Zeit. Machen wir es uns schön, solange es schön ist.«
Aber Fidelma blieb ernst. »Glaubst du wirklich, daß wir nur an die Gegenwart denken sollten? So kann man ein erfülltes und zufriedenes Leben nicht planen.«
»Wir existieren nur in der Gegenwart.«
Zum ersten Mal
Weitere Kostenlose Bücher