08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
einen dankbaren Blick zu. »Nur zwei solche Begegnungen auf allen meinen Fahrten, und das waren viele, das beweist euch, daß ein solches Zusammentreffen möglich, aber nicht wahrscheinlich ist. Wir werden viel eher mit Stürmen als mit Piraten zu tun haben. Sollten wir in einen Sturm geraten, ist es meine Pflicht als Kapitän, euch darauf hinzuweisen, daß ihr meinen Leuten nicht im Wege sein dürft und sie ihre Arbeit verrichten lassen müßt, damit wir entkommen können.«
»Vielleicht erzählst du uns, was bei den zwei Gelegenheiten geschah, als du angegriffen wurdest?« Bruder Tola sah Cian finster an, während er diese Frage an den Kapitän richtete. »Es kann doch nicht so schlimm gewesen sein, denn sonst, wie die Schwester«, er verneigte sich vor Fidelma, »schon sagte, wärst du jetzt nicht hier.«
Murchad lachte verständnisvoll.
»Na, bei dem einen Mal bin ich besser gesegelt als der Räuber.«
»Und beim zweiten Mal?« fragte Schwester Crella aufgeregt.
Die Mundwinkel des Kapitäns zogen sich humorvoll herab. »Da hat er mich gefaßt.«
Verwirrtes Schweigen trat ein, bis Murchad merkte, daß sein Humor bei seinen Passagieren nicht angekommen war, und er sich zu einer Erklärung entschloß.
»Er stellte fest, daß mein Schiff leer war, keine Waren und keine Passagiere an Bord hatte, denn ich fuhr von einem Hafen zu einem anderen, um Ladung aufzunehmen, und da entschied sich der Pirat, mich weiterfahren zu lassen. Es lohnte sich nicht für ihn, mein Schiff zu versenken, wenn er mich später mit einer wertvollen Ladung fassen könnte. Er erklärte mir, er wolle mich wiedersehen, wenn ich ihm etwas zu bieten hätte. Bisher habe ich ihn noch nicht wieder getroffen.«
Es trat nachdenkliche Stille in der Kajüte ein.
»Und wenn du nun Pilger an Bord gehabt hättest?« fragte Schwester Gormán angstvoll.
Murchad machte sich nicht die Mühe zu antworten. Schließlich sagte Schwester Ainder: »Gott sei gelobt, daß die Frage sich nicht gestellt hat.«
Ein Ruf vom Deck her ließ alle nervös zusammenfahren.
»Aha.« Murchad stand rasch auf. »Habt keine Angst. Es bedeutet nur, daß der Wind dreht. Ihr entschuldigt mich – ich muß zurück an meine Pflicht. Wenn ihr noch Fragen habt, wie das Schiff gefahren wird und welche Regeln ihr zu beachten habt, dann wendet euch an Wenbrit. Der Junge hat den größten Teil seines Lebens an Bord verbracht und ist meine rechte Hand im Umgang mit Passagieren.«
Er schlug dem Jungen auf die Schulter, und Wenbrit erlaubte sich ein verlegenes Lächeln, als der Kapitän an Deck ging.
Fidelma wollte das unvermeidliche Gespräch mit Cian hinausschieben, bis sie über alles nachgedacht hatte, und wandte sich an den jungen Mönch neben ihr.
»Kommt ihr alle aus derselben Abtei?« eröffnete sie die Unterhaltung.
Der schlanke blonde junge Mann, der ihr als Bruder Dathal vorgestellt worden war, trank seinen Becher Wein aus, bevor er antwortete.
»Bruder Adamrae«, damit wies er auf seinen ebenso jungen Gefährten, »und ich kommen von der Abtei Bangor. Doch die meisten aus unserer Pilgerschar stammen aus der Abtei Moville, die nicht weit von Bangor liegt.«
»Beide gehören zum Königreich Ulaidh, glaube ich«, meinte Fidelma.
»Das stimmt. Zum Kleinkönigreich der Dál Fiatach«, erwiderte Bruder Adamrae, der rotes Haar und Sommersprossen hatte. Seine kalten blauen Augen funkelten wie Wasser an einem heißen Sommertag. Sein Temperament war so ruhig, wie das seines Gefährten überschäumend war.
»Was zieht euch zum Schrein des heiligen Jakobus?« forschte sie weiter und spürte, daß Cian nur auf eine Gelegenheit wartete, sie in ein Gespräch zu verwickeln.
»Wir sind scriptores «, erklärte Bruder Adamrae in seinem traurigen Tonfall.
Bruder Dathal, der im Gegensatz dazu mit hoher, fast piepsiger Stimme sprach, fügte hinzu: »Wir arbeiten an einer Geschichte unseres Volkes in der alten Zeit. Deshalb fahren wir nach Iberia.«
Fidelma hörte nur halb zu. »Die Verbindung ist mir nicht ganz klar«, bemerkte sie höflich. Eigentlich überlegte sie, wie sie sich Cian gegenüber verhalten sollte.
Bruder Dathal beugte sich zu ihr hinüber und wedelte wie zur Ermahnung mit seinem Messer.
»Aber, Schwester Fidelma, du kennst doch wohl den Ursprung unseres Volkes?«
Überrascht blickte sie ihn an und dachte nach, bis ihr einfiel, was er meinte.
»Ach ja – du sprachst mit dem Kapitän über Bregons Turm. Interessiert ihr euch für die alte Legende von der Herkunft
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