08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
hörte sie Cian etwas aussprechen, was man eine Lebensphilosophie nennen könnte. Sie war grundsätzlich anderer Meinung.
»Wir mögen in der Gegenwart existieren, aber wir haben eine Verantwortung für die Zukunft. Ich habe drei Jahre studiert und wollte in diesem Jahr den Grad eines Sruth do Aill erlangen, der mich zur Lehre befähigte, vielleicht als Hilfslehrerin an der Hochschule meines Vetters in Durrow. Vielleicht finde ich auch eine andere Hochschule, wo ich diesen Grad erlange. Dann könnten wir heiraten.«
Cian rollte sich von ihr fort auf die Seite und griff nach einem Becher Wein. Er nahm einen langen Zug und seufzte leise.
»Fidelma, du träumst immerfort. Du hast ständig deine Bücher im Kopf. Wozu? Du bist zu intellektuell.« In seinem Mund klang das wie ein Schimpfwort. »Schaff deine Bücher ab. Du brauchst sie nicht.«
»Abschaffen …?« Sie war so verblüfft, daß ihr die Worte fehlten.
»Bücher sind nichts für Leute wie du und ich. Sie zerstören das Glück, sie zerstören das Leben.«
»Das meinst du doch nicht im Ernst«, protestierte Fidelma.
Cian zuckte die Achseln. »So denke ich. Sie schenken den Menschen falsche Träume, Visionen von einer Zukunft, die es nicht geben kann, oder einer Vergangenheit, wie sie niemals war. Jedenfalls werde ich bald mit meiner Kriegertruppe im Dienst des Großkönigs Cellach nach Tir Eoghain zurückkehren. Dann werde ich keine Zeit haben, an Dinge wie Heirat zu denken, und noch weniger in der Lage sein, mich irgendwo für immer niederzulassen. Ich dachte, das wäre dir von Anfang an klar gewesen. Ich bin nicht jemand, den man besitzen oder festbinden kann.«
Fidelma richtete sich im Bett auf, im Innern erstarrt.
»Ich will dich nicht besitzen, Cian. Ich wollte mir zusammen mit dir eine Zukunft aufbauen. Ich dachte … Ich dachte, wir besäßen etwas gemeinsam.«
Cian lachte belustigt auf.
»Natürlich besitzen wir etwas gemeinsam. Genießen wir das, was wir wirklich gemeinsam haben. Ansonsten – kennst du nicht den Spruch? Ehestand – Fesselband.«
»Wie kannst du so grausam sein?« Sie war entsetzt.
»Ist man grausam, wenn man Realist ist?« wollte er wissen.
»Also wirklich, Cian, ich weiß nicht, woran ich mit dir bin.«
Er lächelte spöttisch.
»Deutlicher kann man es doch wohl kaum sagen.«
Sie glaubte nicht an seine Grausamkeit. Sie glaubte seinen Worten nicht. Sie wollte es nicht glauben. Es war nur eine Pose, die er einnahm, redete sie sich ein – eine unreife Pose. Er liebte sie wirklich. Sie würden doch zusammenleben. Das wußte sie. In ihrer jugendlichen Eitelkeit wollte sie nicht zugeben, daß sie sich irrte. Also trafen sie sich weiter, wann und sooft es Cian gefiel.
Fidelma lehnte an der Reling auf dem kleinen Vorderdeck und starrte hinaus auf die grenzenlose Weite des Ozeans. Sie wußte nicht, wie sie dorthin gelangt war, so sehr hatte sie sich in ihre Erinnerungen versenkt.
Sie schreckte auf, als sich ihr eine Hand auf die Schulter legte.
»Muirgel?« Es war eine tiefe männliche Stimme.
Sie wandte sich fragend um.
Ein junger Mönch stand da. Sie schätzte ihn auf Mitte zwanzig. Der Wind zerzauste sein strähniges braunes Haar. Er hatte ein gerötetes Jungensgesicht mit Sommersprossen und dunkelbraunen Augen. Seine Augen weiteten sich vor Verblüffung.
»Ich dachte, du wärst … Entschuldigung«, murmelte er verdutzt. »Ich suche Schwester Muirgel. Ich sah nur deinen Rücken und dachte – na ja …«
Fidelma wollte dem jungen Mönch aus seiner Verlegenheit helfen.
»Das macht gar nichts, Bruder. Als ich Schwester Muirgel zuletzt sah, war sie unter Deck. Ich glaube, sie ist seekrank und fühlt sich nicht wohl. Ich heiße Fidelma. Dich habe ich noch nicht kennengelernt, nicht wahr?«
Der junge Mann machte eine eckige Verbeugung.
»Ich bin Bruder Bairne aus Moville. Es tut mir leid, daß ich dich in deinen Gedanken gestört habe, Schwester.«
»Vielleicht brauchten sie eine Störung«, murmelte Fidelma.
»Wie?« Bruder Bairne verstand gar nichts mehr.
»Nichts von Bedeutung«, antwortete sie. »Ich habe nur an etwas gedacht. Geht es dir wieder besser?«
Er runzelte die Stirn. »Besser?« wiederholte er.
»Ich hatte gehört, du kämst nicht zum Mittagessen, weil du auch krank wärst.«
»Ach – ach ja. Mir war etwas übel, doch jetzt geht es mir besser, aber noch nicht so gut, daß ich etwas essen könnte.« Er setzte eine klägliche Miene auf.
»Nun, das geht nicht dir allein so.«
»Ist Schwester
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