08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
davor fürchten, denn der Seegang kann beängstigend sein.«
»Ich erinnere mich nicht, daß sie je seekrank war.«
»Dennoch glaubst du, daß sie gestern nacht in Panik geriet und mitten im Sturm an Deck lief?«
»Das ist die einzige Erklärung, zu der man kommen kann. Vielleicht brauchte sie einfach frische Luft, denn in der Kajüte war es stickig und stank.«
Fidelma wartete einen Moment und sagte dann leise: »Du hast mir noch nicht verraten, was Muirgel für einen Charakter hatte.«
Crellas Antwort kam sofort und begeistert.
»Sie war entschlossen, schlagfertig, sie wußte, was sie wollte. Vielleicht folgte ich deshalb ihrer Führung. Sie hatte immer die Ideen.«
»Ich verstehe.« Fidelma stand plötzlich auf. »Du hast mir sehr geholfen, Crella. Ach, eins noch – wann hat sich Cian entschieden, sich eurer Pilgerfahrt anzuschließen?«
Crella machte eine ärgerliche Geste. »Der? Ach, der wollte mit, sobald bekannt wurde, daß Schwester Canair die Gruppe zum Schrein des heiligen Jakobus führen wollte.«
»Ach! Dann war es also Canairs Idee, zum Schrein des heiligen Jakobus zu pilgern?«
»Sie sollte uns führen. Cian gehört zum Kloster Bangor, wenn er auch oft nach Moville kam. Wir kannten ihn gut. Er diente dem Abt von Bangor als Bote nach Moville. Als Canair diese Pilgerfahrt ankündigte, schloß er sich gleich unserer Gruppe an.«
Plötzlich ertönten Rufe auf dem Deck über ihnen, und Wenbrit flitzte vorbei.
»Was ist?« rief ihm Fidelma zu.
»Der Nebel lichtet sich«, schrie er, »aber ich glaube, wir kriegen Ärger.«
K APITEL 10
Fidelma traf auf mehrere Mitreisende, die sich auf Deck versammelt hatten, um zu sehen, was es mit der Unruhe auf sich hatte, die die Mannschaft der »Ringelgans« verbreitet hatte. Es war kurz vor Mittag, und die Sonne hatte den Seenebel größtenteils vertrieben.
Als Fidelma auf dem Hauptdeck erschien, kam gerade wieder ein angsterfüllter Ruf vom Mastkorb. Sie wandte sich zum Achterdeck um, wo Murchad neben den Rudergängern stand und nach Backbord schaute. Als sie seinem Blick folgte, sah sie durch letzte Nebelschleier hindurch, wie die Brandung weiß über eine Felsengruppe schäumte, auf der Kormorane wie düstere Wachposten standen. Dann merkte sie, daß das Meer ringsum mit solchen Riffen und winzigen Inseln übersät war.
Gurvan, der Steuermann, eilte an ihr vorbei zu seinem Kapitän.
»Wo sind wir hier?« rief ihm Fidelma zu.
»Sylinancim«, brummte der Bretone. Er sah nicht glücklich aus. »Der Sturm hat uns zu weit nach Südosten verschlagen.«
Also hatte Murchad recht gehabt, dachte sie, als er ihr sagte, der Sturm habe sie östlich von ihrem Kurs abgetrieben.
Weder Gurvan noch Murchad erhoben Einwände, als sie dem Bretonen auf das Achterdeck folgte und sich neben den finster dreinblickenden Kapitän stellte.
»Ich hätte nicht gedacht, daß die Sylinancim-Inseln so öde und schroff sind«, sagte sie und betrachtete etwas furchtsam die gezackten Felsen, die sie umgaben.
»Die Hauptinseln sind bewohnt und haben günstige Landeplätze«, erwiderte Gurvan. »Sonst vermeiden wir dieses Gebiet, indem wir weiter nach Westen ausholen. Ich glaube, wir haben den Broad Sound, eine sichere Durchfahrt, verpaßt, und nun treiben uns Wind und Gezeiten durch Crebawethan Neck.«
Der letzte Satz war an Murchad gerichtet, und der bestätigte mit einem Nicken die Ansicht des Steuermanns. Fidelma kannte diese Stellen nicht. Sie spürte aber die Besorgnis im Ton des normalerweise gelassenen Bretonen.
»Ist das eine schlechte Stelle?« fragte sie.
»Es ist jedenfalls keine gute Stelle«, antwortete Gurvan. »Wenn wir es durch das Neck schaffen, können wir südlich an den Retarrier Ledges vorbeigelangen – wieder anderen Felsen. Kommen wir von denen frei, können wir geraden Kurs auf Ushant nehmen. Wir sind dann einen vollen Tag vom Kurs ab, vorausgesetzt …« Er merkte plötzlich, daß er mit einem Passagier sprach, und schaute Murchad schuldbewußt an. Der aber war zu beschäftigt, um es zu bemerken.
»Vorausgesetzt, wir schaffen es durch dieses Crebawethan Neck?« beendete Fidelma seinen Satz.
»Genau, Lady.«
Der Kapitän hatte das vom Wind geschwellte Segel sorgsam beobachtet und gab jetzt einem der Rudergänger das Zeichen, den Platz mit ihm zu tauschen. Ein paar Matrosen standen am Bug, um zu warnen, falls das Schiff den Felsen zu nahe kam.
»Buline festmachen!« schrie Murchad.
Zwei Matrosen rannten zur Luvseite und packten ein Tau, das zu
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