08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
Messedeck und machte sich auf die Suche nach anderen Pilgern. Erst dachte sie, die große Kajüte sei leer, doch dann sah sie einen gebückten Schatten in einer Ecke. Fidelma räusperte sich geräuschvoll.
Die Gestalt in Kutte und Kapuze sprang auf und fuhr mit katzenartiger Gewandtheit herum. Die Kapuze fiel zurück und gab das Gesicht frei. Es war Schwester Crella. Ihre Augen waren gerötet, als habe sie geweint.
»Es tut mir leid, daß ich dich erschreckt habe, Schwester.« Fidelma lächelte ihr beruhigend zu.
»Ich dachte … Ich hab dich nicht kommen hören.«
»So wie das Schiff quietscht und knarrt, brauchtest du schon scharfe Ohren, um Schritte zu hören«, meinte Fidelma. »Ich hätte mich bemerkbar gemacht, aber ich dachte, die Kajüte sei leer.«
»Ich hatte hier in der Ecke etwas verloren und suchte danach.«
»Kann ich dir helfen?« Fidelma blickte auf die trübe Lampe, die noch auf dem Tisch flackerte.
»Nein«, antwortete Schwester Crella rasch. Sie hatte sich wohl von ihrem Schreck erholt. »Ich dachte, ich hätte es hier verloren, aber ich muß es wohl in meiner Kajüte gelassen haben. Es ist nicht wichtig.«
Fidelma schaute nachdenklich in ihr etwas feindseliges Gesicht.
»Na gut«, sagte sie. »Hast du einen Moment Zeit für ein Gespräch?«
Crellas Augen zogen sich mißtrauisch zusammen.
»Gespräch worüber?«
»Über Schwester Muirgel.«
»Du meinst wohl den Gottesdienst? Ich werde mich nicht entschuldigen. Bruder Bairne benahm sich wie immer eifersüchtig und dumm.«
»Warum zitierte er aus dem Propheten Hosea? Mir kam es merkwürdig vor bei einer solchen Gedenkfeier.«
Crella schnaufte verärgert.
»›… denn der Hurerei-Geist verführt sie, daß sie wider ihren Gott Hurerei treiben‹«, zitierte sie. »Ich kenne den Text gut. Bruder Bairne war eifersüchtig, weil die Männer Muirgel und mich anziehend fanden und wir uns auch von manchen Männern angezogen fühlten. Das ist alles. Er war dagegen.«
»Ich nehme an, daß er nicht zu den Männern gehörte, von denen ihr euch angezogen fühltet?«
Crella brachte tatsächlich ein hartes Lachen zustande.
»Ganz bestimmt nicht.«
»War Schwester Muirgel von Bairne ebensowenig angetan?«
»Natürlich. Wir beide hielten Bairne für einen Flegel. Wenn das nun alles ist …«
»Noch nicht ganz. Hauptsächlich wollte ich mit dir über den tragischen Tod von Schwester Muirgel sprechen.«
Crella setzte sich an den Tisch. Fidelma ließ sich auf der Bank gegenüber nieder. Im Licht der Lampe sah man nun deutlich, daß die junge Frau wirklich geweint hatte.
»Ich glaube, beim Frühstück hast du erwähnt, daß Schwester Muirgel deine Kusine war«, begann Fidelma vorsichtig.
»Und außerdem meine vertrauteste Gefährtin«, erklärte das Mädchen so heftig, als habe jemand das bestritten.
Fidelma legte Crella mitfühlend die Hand auf den Arm.
»Der Kapitän hat mich gebeten, Nachforschungen anzustellen. Nach dem Gesetz muß er nämlich den Behörden in seinem Heimathafen einen Bericht über den Tod Schwester Muirgels erstatten, denn sonst kann ihre Familie ihn wegen Fahrlässigkeit belangen.«
Crellas Augen weiteten sich unschuldig.
»Aber ich gehöre doch zu ihrer Familie, und ich weiß, daß Murchad an ihrem Tod keine Schuld trägt.«
»Nun, Murchad muß das nach dem Gesetz beweisen. Sonst könnte ungeachtet deiner guten Absichten einer ihrer nahen Verwandten den Sühnepreis verlangen, ihr Vater beispielsweise oder ihr Bruder. Da ich Anwältin bin, hat er mich ersucht, ein paar Fragen zu stellen und den Bericht für ihn vorzubereiten.«
Crella gab einen Laut von sich, der halb ein Schnaufen und halb ein Seufzer war.
»Ich weiß gar nichts. Ich war die ganze Nacht in meiner Koje und hab mich in meiner Todesangst vor dem Sturm nicht einmal bewegt.«
»Natürlich. Ich wollte dich auch mehr nach dem Hintergrund fragen. Du sagtest, du warst Schwester Muirgels Kusine und vertrauteste Gefährtin? Dann kannst du mir sicher etwas über ihre Familie erzählen.«
Crella schien nicht sehr bereit dazu. Sie schaute Fidelma etwas mißtrauisch an.
»Wir sind aus der Abtei Moville. Sie steht am oberen Ende des Loch Cúan. Sie wurde vor hundert Jahren von dem heiligen Finnian gegründet. Colmcille lehrte dort, und heute ist sie eine der berühmtesten geistlichen Hochschulen des Landes.«
»Das weiß ich«, erklärte Fidelma. »Ihr wart also beide Glieder der Gemeinschaft von Moville.«
»Wir waren Kusinen. Unsere Väter gehörten der
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