08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
fürstlichen Familie Dál Fiatach an.«
Fidelma sah sie scharf an.
»Den Dál Fiatach, zu deren Besitzungen auch Moville zählt?«
»Und die große Abtei Bangor«, fügte Crella stolz hinzu. »Das Gebiet der Dál Fiatach ist eins der größten Kleinkönigreiche von Ulaidh.«
»Ach ja. Also würde Schwester Muirgel …«
»Einen hohen Sühnepreis kosten.« Schwester Crella hatte die Frage geahnt. »Sieben cumals .«
Fidelma war überrascht vom Wissen des Mädchens.
»Du kennst offensichtlich euren Sühnepreis.« Die Summe entsprach dem Wert von einundzwanzig Milchkühen.
»Muirgels Vater war der Fürst des Gebiets und mein Vater sein Tanist oder erwählter Nachfolger. Wir lernten diese Dinge schon, als wir aufwuchsen«, erläuterte das Mädchen.
»Warum habt ihr euch für das religiöse Leben entschieden?«
Schwester Crella zögerte einen Moment und machte dann eine ausladende Armbewegung.
»Muirgel. Sie war es, die das vorschlug. Wir hatten zu Hause Brüder und Schwestern, und Muirgel meinte, es wäre gut, wenn wir weggingen und studierten.«
»Wie alt war Muirgel?«
»So alt wie ich, zwanzig Jahre.«
»Wann seid ihr in die Abtei Moville eingetreten?«
»Als wir sechzehn waren.«
»Warum seid ihr auf diese Pilgerfahrt gegangen?«
Schwester Crella begann: »Es war …« Dann hielt sie inne, als sei ihr etwas eingefallen.
Fidelma lächelte ermutigend.
»Es war also Muirgels Idee?« riet sie.
Schwester Crella nickte.
»Hast du dich immer nach Muirgel gerichtet?«
Crella war wieder auf der Hut.
»Wir standen uns sehr nahe. Sie war für mich eher eine Schwester als eine Kusine. Wir waren immer zusammen.«
Fidelma lehnte sich zurück und trommelte unbewußt mit den Fingern auf der Tischplatte.
»Warum hattest du auf dieser Reise nicht eine Kajüte mit Muirgel gemeinsam?«
Crella war verwirrt.
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Ich wundere mich nur. Wenn du Muirgel so nahestandest und auf die Pilgerfahrt gingst, weil sie es wollte, hätte ich erwartet, daß ihr euch eine Kajüte teilt, wenn sie zu zweit belegt werden mußten. Als ich an Bord kam, wurde ich zunächst gebeten, mit in ihre Kajüte zu ziehen.«
»Ach so, jetzt verstehe ich. Ich hatte Schwester Canair versprochen, mit ihr zusammenzuziehen, weil sie solche Angst hatte. Sie war noch nie auf See gewesen.«
»Ach ja. Aber Schwester Canair kam nicht an Bord, nicht wahr? Sie verpaßte das Auslaufen.«
Schwester Crella machte eine sorgenvolle Miene.
»Sie war die Leiterin unserer Pilgerschar. Sie kam auch aus Moville und war eine gute Freundin von uns.«
»Hast du eine Ahnung, weshalb sie euch nach Ardmore führte und dann die Abfahrt versäumte?«
»Nein. Ich war überzeugt, sei wäre an Bord, als wir ausliefen, deshalb war ich in der einen Kajüte und Muirgel in einer anderen.«
»Wie viele von euch kommen aus Moville?«
»Dathal, Adamrae, Cian und Tola kommen aus Bangor. Alle anderen sind aus Moville.«
»Ich hörte, eine Schwester sei gleich nach dem Aufbruch gestorben?«
»Die alte Schwester Sibán? Sie war schon sehr betagt. Wir waren noch nicht aus dem Gebiet der Dál Fiatach heraus, als sie zusammenbrach und starb. Sie war auch aus Moville.«
»Also habt ihr die Pilgerfahrt zu zwölft angetreten?«
»Und jetzt sind noch neun übrig.«
»Was meinst du, weshalb Schwester Canair nicht mitkam? Wenn sie den ganzen Weg von Moville nach Ardmore zurückliegt hatte, warum blieb sie dann dort?«
Crella zuckte unruhig die Achseln.
»Wer weiß? Vielleicht hatte sie Angst vor dem Meer, oder sie war unserer Gesellschaft überdrüssig?«
Fidelma wußte instinktiv, daß Schwester Crella nicht an die Gründe glaubte, die sie vorbrachte. Sie beschloß, sie nicht weiter zu drängen, sondern auf Muirgels Verschwinden zurückzukommen.
»Wann hast du deine Kusine zuletzt gesehen?«
»Bald nach Ausbruch des Sturms – die Zeit weiß ich nicht genau. Der Himmel war schon ganz dunkel. Ich schaute zu ihr hinein und fragte, ob ich ihr irgend etwas bringen könnte. Oder ob ich zu ihr ziehen sollte, weil wir inzwischen wußten, daß Canair nicht auf dem Schiff war. Sie hatte sich gleich, als wir an Bord waren, in ihre Kajüte zurückgezogen.«
»Und wollte sie?«
»Wollte sie was?« Schwester Crella hatte Fidelma einen Moment nicht zugehört.
»Wollte Muirgel, daß du zu ihr ziehst?«
Nach kurzem Zögern schüttelte das Mädchen den Kopf.
»Nein, das wollte sie nicht. Sie wollte allein gelassen werden.«
»Hat dich das überrascht?«
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