08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
fragte Fidelma schnell.
Schwester Crella errötete und überlegte sich ihre Antwort gut.
»Wir sind junge Frauen. Manchmal ist es … etwas unbequem, ein Zimmer oder eine Kajüte zu teilen.«
Fidelma erwog diese Antwort und beschloß, ihr im Augenblick nicht weiter nachzugehen. Sie würde bald erfahren, ob Crellas offensichtlicher Verdacht berechtigt war oder nicht.
Doch wenn Muirgel während des Sturms männlichen Besuch erwartete, paßte das jedenfalls nicht zu ihrer Krankheit.
»Wie ging es Schwester Muirgel, als du sie sahst?« stellte sie die nächste Frage.
»Sie war noch krank und schwach. Ich hatte noch nie erlebt, daß die Seekrankheit sie so gepackt hatte.«
»Hatte sie vorher schon Seereisen gemacht?«
»Wir sind mehrmals nach Iona gefahren, aber dabei war Muirgel niemals seekrank.«
»Du hattest die Kajüte neben ihr, nicht wahr?«
»Ja.«
»Aber du hast nicht nach ihr geschaut, als der Sturm tobte?«
»Ich hatte zuviel Angst.«
»Stell dir vor, wie es ihr ging, krank wie sie war.«
»Ich fühlte mich auch krank«, protestierte Crella. »Meinst du, ich hätte aus meiner Koje aufstehen und versuchen sollen, zu ihrer Kajüte zu gelangen? Daß ich sie hätte daran hindern können, an Deck zu gehen und über Bord zu fallen?« Ihre Stimme schwoll zu einem Jammern an.
»Das wollte ich nicht damit sagen. Ich glaube, du willst mir zu verstehen geben, daß Muirgel nicht so krank war, wie sie vorgab, und jemanden erwartete.«
Crella hob das Kinn wie zum Widerspruch, doch dann senkte sie den Kopf. Sie schwieg.
»Weißt du, wer Muirgels Freunde waren? Bist du sicher, daß es nicht Bruder Bairne war?«
»Bairne?« antwortete Crella mit einem verlegenen Lachen. »Ich sagte dir schon, daß Bairne der letzte war, für den sich Muirgel interessierte. Es gab …« Sie zögerte.
»Ja?« lockte sie Fidelma.
»Nun, Bruder Cian ist ein Freund von dir …«
Jetzt war die Reihe zu erröten an Fidelma.
»Das ist er nicht! Ich lernte ihn vor zehn Jahren in Tara kennen und habe ihn erst wiedergesehen, als ich auf dieses Schiff kam. Was ist denn mit Cian?«
»Cian genoß in Moville einen gewissen Ruf. Es gab dort kaum eine junge Frau, die er nicht dazu überredete, in sein Bett zu kommen, von albernen jungen Dingern wie Gormán bis zu reiferen Frauen wie meine Kusine. Doch ich hatte den Eindruck, daß Muirgel ihr Verhältnis mit Cian beenden wollte, noch bevor wir die Abtei verließen. Sie schwieg sich über manche Dinge aus, was für sie ungewöhnlich war.«
Diese Enthüllung der Schwächen Cians war für Fidelma keine Überraschung.
»Hatte Muirgel vor jemand Angst?« fragte sie.
Crella schüttelte den Kopf und sah Fidelma neugierig an.
»Was haben solche Fragen mit der Nachforschung danach zu tun, weshalb Muirgel über Bord gespült wurde? Das verstehe ich nicht.«
Fidelma merkte, daß sie zu weit gegangen war und einen Verdacht bei der jungen Frau geweckt hatte. Rasch wechselte sie die Richtung ihrer Fragen.
»Ich wollte nur etwas über Hintergründe erfahren, weiter nichts. Was dich betrifft, so bliebst du in deiner Kajüte bis zum nächsten Morgen.«
»Ich wollte am nächsten Morgen zu ihr, aber kurz nach der Morgendämmerung kam Bruder Cian in unsere Kajüte und sagte, er sehe bei allen nach. Dieser arrogante …« Crella unterbrach sich. »Er betrachtet sich nun als Führer unserer Gruppe und meint, er müsse uns bewachen wie ein Schäferhund seine verirrten Schafe.«
Fidelma beugte sich leicht vor.
»Also Cian kam herein, um nachzusehen, und zwar im Morgengrauen? Was geschah weiter?«
»Er war noch nicht lange fort, da kehrte er zurück und erklärte mir, daß Muirgel nicht in ihrer Kajüte sei und er das dem Kapitän melden wolle.«
»Was hatte Muirgel für einen Charakter?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Ich möchte mir nur eine Vorstellung davon machen, was sie veranlaßt hat, ihre Kajüte zu verlassen, obwohl sie so krank war, und an Deck zu gehen.«
»Panik vermutlich«, erwiderte Crella. »Ich glaubte manchmal ernsthaft, das Schiff ginge unter, so wie es hin und her geworfen wurde. Auf unseren Fahrten nach Iona habe ich nie so eine rauhe See erlebt.«
»Wie oft habt ihr die Überfahrt durch die Meerenge nach Iona gemacht?«
»Muirgel und ich haben mehrmals Botschaften des Abts von Moville nach Iona gebracht.«
»Und dabei war sie nie seekrank? In der Meerenge gibt es doch auch Stürme? Ich habe die Überfahrt nur einmal gemacht, aber ich kann es verstehen, wenn Menschen sich
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