08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
wäre ich nicht mehr am Leben. Kapitän, ich brauche eine Überfahrt nach Laigin.«
Murchad schüttelte den Kopf.
»Wir sind auf einer Pilgerreise zum Schrein des heiligen Jakobus. Ardmore werden wir wohl frühestens in drei Wochen wiedersehen. Aber wir laufen Ushant an. Dort wirst du bald ein Schiff finden, das dich nach Hause bringt.«
Der frühere Krieger lächelte trübe.
»Ich werde wohl ein paar von diesen Klunkern verkaufen müssen.« Er wies auf die Ringe an seiner Hand. »Der Verdienst eines Jahres liegt irgendwo dort auf dem Meeresgrund.« Mit dem Daumen zeigte er zurück auf die Klippen. »Ich besitze nur noch, was ihr an mir seht. Na ja, vielleicht kann ich einen Schiffer überreden, mich als Matrosen anzuheuern.«
Murchad betrachtete ihn zweifelnd.
»Hast du seemännische Erfahrung?«
Der Mann lachte schallend.
»Bei allen Schlachtengöttern, überhaupt keine. Ich bin ein guter Krieger. Ich kenne mich in Strategie und Waffenkunde aus. Ich liebe Pferde und kann sie ausbilden. Ich spreche drei Sprachen. Ich kann lesen und schreiben und sogar etwas in Ogham ritzen. Aber in der Seefahrt habe ich überhaupt keine Erfahrung.«
Murchad verzog den Mund.
»Na, dann wirst du dir wohl in Ushant eine Überfahrt suchen müssen. Ihr entschuldigt mich?« Er ging zurück zu seinen Pflichten.
Wenbrit kam mit einem Becher voll Schnaps und reichte ihn dem Krieger.
»Du solltest deine nasse Kleidung ablegen«, riet er ihm. »Ich glaube, ich finde ein paar passende Sachen für dich.«
»Das ist gut, meine Junge …« Er brach mitten im Satz ab.
Sein Gesicht war erstarrt, den Becher hatte er halb erhoben, den Mund wie zum Trinken geöffnet, die Augen weit aufgerissen. Ein ungläubiger Ausdruck huschte über sein Gesicht, an einer Wange begann ein Muskel zu zucken.
Fidelma drehte sich um und suchte den Grund dieser plötzlichen Veränderung.
Cian war an Deck gekommen, um zu sehen, was sich ereignet hatte, seit Murchad die Pilger unter Deck geschickt hatte. Er sah Fidelma und kam auf sie zu.
Aus der Kehle Toca Nias brach ein tierartiger Laut hervor. Der Becher entfiel seiner Hand, der Inhalt ergoß sich auf das Deck.
Bevor Fidelma begriff, was vor sich ging, stürzte sich der Mann auf den verblüfften Cian.
»Schurke! Mörder!«
Die beiden Worte fielen wie Peitschenhiebe.
Im selben Moment hatte er Bruder Cian erreicht, und seine Faust fuhr dem Verdutzten ins Gesicht. Einen Augenblick stand Cian mit blutiger, eingeschlagener Nase da, die Augen starr vor Verwunderung, dann fiel er rücklings um, so langsam, als wolle er den Gesetzen der Schwerkraft trotzen.
K APITEL 17
Fidelma stand vor Verblüffung wie angewurzelt da. Wenbrit reagierte als erster mit einem Warnruf. Zwei Matrosen erreichten Toca Nia, bevor er mit dem Fuß auf Cians ungeschützten Kopf eintreten konnte. Sie zerrten ihn, der sich sich heftig wehrte, von dem an Deck liegenden Cian weg. Murchad kam herbeigerannt.
»Was zum Teufel …?« setzte er an.
»Teufel ist richtig!« tobte Toca Nia und bemühte sich mit haßverzerrtem Gesicht, sich dem Griff der Matrosen zu entwinden.
Fidelma beugte sich über den bewußtlosen Cian und fühlte ihm den Puls. Sie schaute zu Murchad auf.
»Würde wohl jemand Bruder Cian in seine Kajüte schaffen und sich um ihn kümmern? Die Verletzung scheint nicht gefährlich, aber er ist bewußtlos.«
Murchad winkte zwei Matrosen heran, und wortlos trugen sie Cian unter Deck.
Fidelma hatte sich erhoben und trat Toca Nia gegenüber. Er stand jetzt still im festen Griff der Matrosen. Mit gekreuzten Armen blickte sie ihm in das erregte Gesicht.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte sie ihn.
Toca Nia gab keine Antwort.
»Du bist uns eine Erklärung schuldig, mein Freund«, sagte Murchad. »Ich habe dich nicht aus dem Meer geholt, damit du einen meiner Passagiere totschlägst, noch dazu einen heiligen Bruder auf einer Pilgerreise. Was ist in dich gefahren?«
Toca Nia schaute Murchad in das ernste Gesicht und wandte sich dann an Fidelma.
»Das ist kein heiliger Bruder!«
»Das mußt du uns erklären«, beharrte Murchad. »Bruder Cian gehört zu den Pilgern, die auf meinem Schiff reisen.«
»Cian! Ja, so heißt er. Ich habe allen Grund, mich daran zu erinnern. Aber er ist ein Krieger wie ich. Einer der Krieger von Ailech. Er ist der ›Schlächter von Rath Bíle‹!«
Fidelma starrte Toca Nia an und bemühte sich, seine Anschuldigung zu begreifen.
»Der ›Schlächter von Rath Bíle‹?« wiederholte sie
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