08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
ratlos.
»Ein ganzes Dorf und eine Burg zerstört, alle Gebäude niedergebrannt, Männer, Frauen und Kinder niedergemetzelt auf Befehl von Cian von Ailech. Hundertundvierzig Seelen in den Himmel geschickt von diesem Scheusal …« Toca Nias Stimme schwoll an vor Erregung.
Fidelma hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»Beruhige dich, Toca Nia. Wieso bist du sicher, daß Bruder Cian für solch ein Massaker verantwortlich war?«
Das Gesicht des Iren war wutverzerrt, in seinen Augen stand seine Qual.
»Weil meine Mutter, meine Schwestern und mein jüngerer Bruder dort hingeschlachtet wurden, weil ich dabei war und es bezeugen kann.«
Fidelma saß auf der Koje in Murchads Kajüte, während der Kapitän sich auf einem Stuhl ausstreckte. Toca Nia war in Gurvans Kajüte gebracht worden, und Drogan hielt davor Wache. Fidelma schaute besorgt drein. Die neue Situation hatte etwas Unwirkliches an sich.
»Ich habe noch nie erlebt, daß sich die Persönlichkeit eines Menschen derartig verändert«, erklärte sie Murchad. »Zuerst machte dieser Toca Nia einen angenehmen, freundlichen Eindruck, doch in dem Moment, als er Cian sah, verwandelte er sich in einen tobenden Irren und geriet völlig außer Kontrolle.«
Murchad zuckte die Achseln.
»Wenn seine Behauptung stimmt, ist seine Wut verständlich. Du kennst doch Cian von früher her, da mußt du doch etwas von dem gehört haben, was Toca Nia vorbringt?«
Fidelma machte eine verlegene Bewegung.
»Ich kannte Cian vor zehn Jahren«, gab sie zu. »Damals war er Krieger in der Leibgarde des Königs von Ailech. Darüber hinaus weiß ich nichts. Von diesem Rath Bíle habe ich noch nie etwas gehört.«
Es trat ein längeres Schweigen ein, in dem Murchad in seinem Gedächtnis nachforschte.
»An einiges kann ich mich erinnern«, meinte er schließlich.
»Wann ereignete sich das?«
»Vor mehreren Jahren. Vielleicht vor fünf Jahren. Rath Bíle liegt im Gebiet der Uí Feilmeda im Königreich Laigin.«
»Das heißt südlich der Abtei Kildare«, überlegte Fidelma. »In der Abtei war ich ein paar Jahre, aber an die Geschichte kann ich mich nicht erinnern.« Sie dachte einen Moment nach. »Vor fünf Jahren? Es könnte in der Zeit gewesen sein, als ich nach dem Westen geschickt worden war. Was weißt du von dem Massaker?«
Murchad zuckte die Achseln.
»Herzlich wenig. Es gab einen Konflikt zwischen dem Großkönig Blathmac und Faélán von Laigin – einen Streit darüber, ob die Uí Chéithig ihren Tribut an Blathmac in Tara oder an Faélán in Fearna zu entrichten hätten. Ich weiß, daß ein Vertrag geschlossen wurde. Aber anscheinend hatte Blathmac vor, Faélán wegen seines Widerstandes eine Lektion zu erteilen, und schickte eine Schar seiner Elitetruppe zu Schiff die Küste entlang ins Land der Uí Enechglais. Sie marschierte zur Burg von Faéláns Bruder in Rath Bíle und richtete ein Blutbad an. Es stimmt, daß viele Greise, Frauen und Kinder dabei ebenso ums Leben kamen wie die Handvoll Krieger von Laigin, die den Ort verteidigten.«
Fidelma war beunruhigt.
»Das ist eine Verwicklung, die uns auf dieser Reise gerade noch gefehlt hat.«
Murchad teilte ihre Besorgnis.
»Und du bist der Aufklärung des Mordes an Schwester Muirgel noch nicht näher gekommen? Es wird geflüstert, Schwester Crella sei die Schuldige. Stimmt das?«
»Ich sehe noch nicht klar. Es steckt mehr dahinter, als man auf den ersten Blick erkennt. Wie lange dauert es noch, bis wir den Hafen von Ushant erreichen?«
»Bei diesem Wind können wir in einer Stunde dort sein. Du mußt mir einen Rat geben, was ich mit Toca Nia und Cian machen soll, Lady.«
Fidelma schüttelte den Kopf. »Wenn ich die Gesetze über Kriegsverbrechen in den Crítb Gablach richtig in Erinnerung habe, heißt es dort nur, daß nach Abschluß eines cairde oder Friedensvertrages alle Ansprüche dieser Art binnen eines Monats gestellt werden müssen. Wer nach dem Gesetz eine Entschädigung für ungesetzliche Tötung erlangen will, muß innerhalb dieser Frist darauf klagen. Das Massaker, von dem hier die Rede ist, ereignete sich vor mehreren Jahren.«
Murchad schaute trübe drein.
»Erst Mord und jetzt auch noch Kriegsverbrechen! In all meinen Jahren auf See habe ich so etwas nicht erlebt. Was müßten wir tun? Toca Nia hält mir Zitate aus der Bibel vor und verlangt Rache.«
»Rache ist nicht Gerechtigkeit«, erwiderte Fidelma. »Dieser Fall gehört vor einen höheren Brehon, ich bin nicht befugt, hierüber zu
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