08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
entscheiden.«
»Na, ich schon gar nicht, Lady.«
»Ich werde mit Cian reden«, erklärte Fidelma und erhob sich. »Als erstes müssen wir hören, was er dazu zu sagen hat.«
Cian hatte es sich in halb sitzender Stellung auf seiner Koje bequem gemacht und hielt sich ein blutgetränktes Tuch vor die Nase. Die Kajüte, die er mit Bruder Bairne teilte, war dunkel. Eine Laterne schwang an einem Haken an der Decke hin und her und warf ein unruhiges, flackerndes Licht. Offensichtlich hatte ihm noch niemand etwas von Toca Nias Anschuldigung gesagt. Er nahm den Lappen von der Nase und begrüßte Fidelma mit einem schiefen Lächeln.
»Unser schiffbrüchiger Seemann hat eine merkwürdige Art, seinen Rettern Dankbarkeit zu bezeigen«, meinte er ironisch.
Fidelmas Miene blieb ausdruckslos.
»Ich nehme an, du hast den Mann nicht erkannt?«
Cian zuckte die Achseln und verzog schmerzvoll das Gesicht.
»Hätte ich ihn erkennen sollen?«
»Sein Name ist Toca Nia.«
»Nie gehört.«
»Er ist kein Seemann, sondern war Passagier auf dem gesunkenen Schiff. Er war Krieger bei Faélán von Laigin.«
Cian reagierte wegwerfend.
»Na, ich kenne nicht alle Krieger der fünf Königreiche. Was hat er gegen mich?«
»Ich dachte, du kennst ihn, weil er dich kennt.«
»Wie heißt er noch mal?« fragte Cian.
»Toca Nia.«
Cian dachte einen Moment nach und schüttelte dann den Kopf.
»Toca Nia von Rath Bíle«, fügte Fidelma kalt hinzu.
Ohne Zweifel bedeutete dieser Zusatz etwas für Cian.
»Würdest du mir davon berichten?« fuhr Fidelma fort.
»Worüber genau?«
»Über das, was in Rath Bíle geschah.«
»In Rath Bíle wurde ich am Arm verwundet.« In seiner Stimme klang Bitterkeit mit.
»Was tatest du in Rath Bíle?«
»Ich stand im Dienste des Großkönigs.«
»Ich glaube, das muß ich ein bißchen genauer wissen, Cian.«
»Ich befehligte eine Schar der Leibgarde des Großkönigs. Wir führten dort ein Gefecht, und ich bekam einen Pfeil in den Oberarm.«
Fidelma holte tief Atem.
»Ich möchte nicht jede Einzelheit aus dir herausquetschen müssen.«
»Was genau wirft mir dieser Toca Nia denn vor?«
»Er behauptet, du seist der ›Schlächter von Rath Bíle‹. Er sagt, du gabst den Befehl, ungefähr hundertundvierzig Männer, Frauen und Kinder niederzumetzeln und das Dorf und die Burg in Brand zu stecken. Ist da etwas Wahres dran?«
»Hat Toca Nia dir auch gesagt, wie viele Krieger des Großkönigs dort gefallen sind?« konterte Cian zornig.
»Das ist keine Entschuldigung. Wenn diese Krieger das Dorf und die Burg angriffen, dann war es ihre Entscheidung, sich der Gefahr auszusetzen. Der Tod von Frauen und Kindern ist nicht gegen ihren Tod aufzurechnen. Es gibt keine Rechtfertigung für ein Massaker.«
»Wie kannst du das behaupten?« widersprach Cian. »Es ist gerechtfertigt, wenn der Großkönig es will!«
»Das ist eine schöne Moral, Cian. Das ist überhaupt keine Rechtfertigung. Ich würde dir dringend raten, mir zu sagen, was geschah, sonst muß man annehmen, daß Toca Nias Anschuldigungen stimmen und du für das Massaker verantwortlich bist.«
»Sie stimmen nicht! Sie stimmen ganz und gar nicht!« rief Cian in hilflosem Zorn.
»Dann erzähl mir deine Version der Geschichte. Es gab einen Grenzstreit zwischen dem Großkönig und dem König von Laigin, nicht wahr?«
Cian stimmte widerwillig zu.
»Der Großkönig meinte, die Uí Chéithig, die um Cloncurry herum ansässig sind, sollten Tribut direkt an ihn entrichten. Der König von Laigin behauptete, er sei ihr Lehensherr. Der Großkönig hielt dagegen, der Tribut sei an Stelle von bóramha zu zahlen.« Cian benutzte einen alten Ausdruck, der Rinder-Berechnung bedeutete.
»Das verstehe ich nicht«, erklärte ihm Fidelma.
»Das geht zurück auf die Zeit, als Großkönig Tuathal der Rechtmäßige in Tara herrschte. Tuathal hatte zwei Töchter. Es wird erzählt, daß damals Eochaidh Mac Eachach der König von Laigin war. Er heiratete die ältere Tochter Tuathals, doch dann stellte er fest, daß sie ihm nicht so gut gefiel wie die jüngere Tochter. Also kehrte er an den Hof Tuathals zurück, gab vor, seine erste Frau sei gestorben, und war so in der Lage, die zweite Tochter zu heiraten.«
Cian hielt inne und grinste trotz seiner ernsten Lage.
»Er war schon ein gerissener alter Knabe, dieser König Eochaidh.«
Fidelma schwieg dazu. Sie fand den Betrug gar nicht komisch.
»Nun«, fuhr Cian fort, »irgendwann erfuhren die beiden Töchter natürlich
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