08 - Tod Auf Dem Pilgerschiff
ist mein Bruder«, unterbrach sie ihn.
»Ich kenne deinen Ruf, Lady.«
»Ich bin nur eine Anwältin und Nonne auf der Pilgerfahrt nach Iberia.«
»Nur?« Toca Nia lachte entwaffnend. »Jetzt ist mir klar, daß ich dich schon einmal gesehen habe, aber ich habe dich erst wiedererkannt, als du deinen Namen nanntest.«
Jetzt war die Reihe an Fidelma, überrascht zu sein.
»Ich erinnere mich nicht, daß wir uns schon begegnet sind.«
»Das kannst du auch nicht, denn wir haben uns nicht wirklich kennengelernt«, erklärte er. »Ich sah dich nur in der überfüllten Halle einer Abtei. Es war in der Abtei von Ros Ailithir, vor mehr als einem Jahr. Nach dem Tode meines Königs Fáelán blieb ich noch eine Weile im Dienst des jungen Königs von Laigin, Fianamail. Ich begleitete ihn, den Abt Noé von Fearna und den Brehon Fornassach zur Abtei, wo du die Verschwörung aufdecktest, mit der Laigin und Muman zum Krieg gegeneinander getrieben werden sollten.«
Das schien Fidelma schon ein ganzes Leben zurückzuliegen. War das tatsächlich erst vor einem Jahr gewesen?
»Ein eigenartiger Ort, an dem wir uns wiedertreffen«, bemerkte sie höflich. »Wie geht es Fianamail, dem König von Laigin? Ein feuriger und ungestümer junger Mann, wie ich mich erinnere.«
Toca Nia lächelte und nickte.
»Nach Ros Ailithir verließ ich seinen Dienst. Ich glaube, ich hatte genug vom Krieg und vom Kriegerleben. Ich hatte gehört, daß der Fürst von Montroulez einen Ausbilder für seine Pferde suchte. Auf dem Gebiet hatte ich guten Erfolg. Ich verbrachte ein Jahr an seinem Hof und war auf dem Rückweg nach Laigin, als …«
Mit einer beredten Handbewegung wies er auf das Meer. Diese Geste holte Fidelma in die Gegenwart zurück. Sie wandte sich um und sah zu ihrer Überraschung, daß die Reihe der gezackten Felsen schon weit in die Ferne gerückt war.
Wieder einmal hatte Murchad sein Können bewiesen und sein Schiff aus der Gefahr herausmanövriert.
Gerade kam Murchad vom Achterdeck her mit raschen Schritten auf sie zu.
Toca Nia begrüßte ihn.
»Hast du Verletzungen erlitten?« erkundigte sich Murchad und musterte den kräftig gebauten Krieger mit durchdringendem Blick.
»Keine, dank des rechtzeitigen Eingreifens von dir und deiner Mannschaft, Kapitän.«
»Und deine Gefährten?«
Wenbrit trat vor und antwortete für ihn.
»Zwei Matrosen von der Mannschaft. Einer hat kaum etwas abbekommen, der andere wird ein paar Tage brauchen, bis er wiederhergestellt ist. Sein Kopf ist auf einen Felsen aufgeschlagen.«
»Auf welchem Schiff wart ihr?« fragte Murchad den Überlebenden.
»Das Schiff hieß ›Morvaout‹ – wir würden es wohl ›Kormoran‹ nennen, glaube ich.«
Murchad sah ihn scharf an.
»War es ein Pilgerschiff?«
Toca Nia lächelte. »Ein Handelsschiff mit einer Ladung Wein und Olivenöl nach Laigin, und mit mir.«
Fidelma schaltete sich ein.
»Dies ist Toca Nia, der frühere Kommandeur der Leibgarde des Königs von Laigin und zuletzt der Ausbilder der Pferde des Fürsten von … welches Fürsten?«
»Montroulez ist ein kleines Fürstentum auf dem Festland, an der Nordküste von Klein-Britannien.«
»Was hat sich euer Kapitän dabei gedacht, als er sein Schiff in so gefährliches Wasser steuerte?« war Murchads nächste Frage.
Der frühere Krieger zuckte die Achseln.
»Der Kapitän starb vor zwei Tagen. Deshalb lief das Schiff auf Südkurs nach Ushant, statt direkt nördlich nach Laigin zu steuern. Der Steuermann hatte das Kommando übernommen, aber ich fürchte, er war wohl kein fähiger Seemann und wurde auch mit einigen aus der Mannschaft nicht fertig. Sie gehorchten seinen Befehlen nicht. Er war zu sehr dem Apfelwein zugetan.«
»Heißt das, daß die Mannschaft meuterte?« fragte Fidelma.
»So etwas Ähnliches, Lady.«
»Waren die Überlebenden auch daran beteiligt?« wollte Murchad wissen. »Ich will keine Meuterer auf meinem Schiff haben.«
»Das könnte ich nicht sagen. Nach dem Tod des Kapitäns ging viel durcheinander.«
»Woran starb er? Wurde er bei der Meuterei umgebracht?«
»Er fiel einfach am Steuer tot um. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen. Ich habe manchmal solche unerklärlichen Todesfälle erlebt, vor und sogar nach der Schlacht. Tod nicht durch Wunden, sondern weil das Herz stillstand.«
»Und der Kapitän war der einzige tüchtige Seemann an Bord?« wollte Murchad wissen. »Das ist aber seltsam.«
»Seltsam oder nicht, das Ergebnis hast du gesehen. Zum Glück warst du da, sonst
Weitere Kostenlose Bücher