0800 - Das Orakel
seine Augen weit. Das Gesicht hatte einen gespannten Ausdruck angenommen. »In Ihrem Buch müssen Sie darauf hingewiesen haben. Ob bewusst oder unbewusst, ich weiß es nicht. Wichtig ist nur, dass es eben geschah.«
»Sagen Sie es.«
»Wissen Sie es nicht schon längst? Es ist doch eines der großen Geheimnisse dieser Welt.«
»Die Bundeslade, Inspektor!«
Jetzt hatte er es gesagt. Suko saß für einen Moment unbeweglich, bevor er nickte. »Ja, sie ist die ultimative Waffe gegen die Kreaturen der Finsternis. Ich weiß nicht, wo wir sie finden können, falls sie überhaupt existiert, aber ich kann mir vorstellen, dass Sie uns den Weg dorthin ein wenig ebnen könnten.«
Robert Morse strich über das schüttere Haar. »Oh, das ist nicht einfach, Inspektor.«
»Ich dachte es mir.«
»Wenn Sie tatsächlich von mir wissen wollen, wo Sie die Bundeslade finden können, sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Ich weiß es selbst nicht.«
»Aber Sie haben sich bemüht.«
»Das stimmt.«
»Sie und Ihr Partner haben geforscht, Sie fanden Spuren, denen man auch jetzt nachgehen könnte.«
»Das streite ich nicht ab.«
»Deshalb kam ich zu Ihnen. Ich möchte mit Ihnen über diese Spuren sprechen. Ich will etwas erfahren. Es darf nicht sein, dass Luzifer und seine Henker gewinnen.«
Morse ließ sich Zeit. Er überlegte. Er schaute Suko dabei hin und wieder prüfend an, und immer wenn er schluckte, bewegte sich die dünne Haut an der Vorderseite des Halses zuckend.
Suko kam sich vor, als hätte er sich einem Test stellen müssen, so ungefähr war es auch, als Morse zu einer Erklärung ansetzte. »Ich denke wirklich nach, wie weit ich bei Ihnen gehen kann, Inspektor. Wissen Sie, ich bin zwar im Laufe der letzten Jahre nicht gerade zu einem Menschenfeind geworden, aber ich vertraue niemandem so schnell, und sie haben da ein Thema angeschnitten, das mehr als wichtig ist, denke ich. Sich darauf einzulassen, dazu gehört schon mehr als nur Vertrauen.«
»Glauben Sie mir, es ist besser, wenn Sie…«
»Ja, ich weiß natürlich, was Sie wollen. Ich denke auch, dass ich bereits über meinen eigenen Schatten gesprungen bin, gedanklich zumindest.«
»Und wie sähe das in der Praxis aus?«
Morse stoppte die Schaukelei des Stuhls, indem er seinen Fuß gegen den Stuhl stemmte. »Ich werde Sie jetzt verlassen, Inspektor. Sie können auf mich warten.«
»Darf ich trotzdem fragen, wohin sie gehen?«
»In mein Zimmer.«
»Und ich soll Sie nicht begleiten?«
»Nein, denn ich muss allein sein, um nachdenken zu können. Keine Sorge, es wird nicht lange dauern. Wenn ich zurückkomme, werde ich Ihnen wahrscheinlich etwas mitgebracht haben.«
»Sie machen mich neugierig.«
Morse winkte ab. »Es ist nur ein kleines Geschenk, ein Orakel, wie man so schön sagt, mehr nicht.« Er streckte Suko die Hand entgegen. »Helfen Sie mir mal hoch. Die Knochen sind vom langen Sitzen doch ziemlich steif geworden.«
»Gern.«
Als der Mann vor Suko stand, stellte der Inspektor fest, dass Morse ziemlich groß war, aber sehr gebeugt ging, sich umdrehte, durch den Raum schlurfte und eine Tür öffnete, durch die er schließlich verschwand. Sanft fiel sie hinter ihn ins Schloss, und Suko blieb in dem Wintergarten allein zurück.
Er setzte sich nicht mehr hin, sondern durchwanderte ihn. Es war noch nicht die Zeit, um sich in einem Wintergarten aufzuhalten. Die fünf runden Tische mit den Stühlen wirkten wie eine Dekoration.
Sie standen auf dem gelblich schimmernden Steinboden, der an vielen Stellen angeschmutzt war, als hätte jemand mit einem großen Radiergummi Streifen hinterlassen.
Suko wandte sich der Gartenseite zu. Hier hatte er freies Blickfeld, konnte durch die breite Scheibe in den kleinen Park schauen, dessen Rasenflächen vom Geäst hoher Bäume bedeckt wurden, die im Sommer einen natürlichen Schutz vor der Wärme bildeten.
Auf der Fahrt hatte es einige Tropfen geregnet, jetzt fiel kein Wasser mehr aus den Wolken, nur mehr die Bäume schimmerten noch nass. Wie Öl klebte das Wasser an den Baumrinden und den ersten grünen Knospen, die das herannahende Frühjahr ankündigten.
Der Park war ziemlich leer. Bei diesem kalten Wetter konnte Suko nur zwei Spaziergänger entdecken.
Der Inspektor war froh gewesen, den alten Autor noch bei vollen geistigen Kräften angetroffen zu haben. Schließlich zählte Robert Morse schon über achtzig Jahre, und Suko freute sich noch mehr darüber, sein Vertrauen erlangt zu haben, und er wusste
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