0800 - Das Orakel
instinktiv, dass dieser Besuch ihm noch einiges bringen würde. Morse wusste etwas, vielleicht sogar eine ganze Menge. Das bedeutete aber auch, dass er sich in Gefahr befand, denn Suko konnte sich vorstellen, dass auch die Kreaturen der Finsternis nicht schliefen und seine Spur möglicherweise aufgenommen hatten.
Sie fuhren direkt die harten Geschütze auf. Die Horror-Reiter gehörten zu ihnen, und das hatte Luzifer weidlich ausgenutzt und deshalb seine Helfer geschickt. Früher einmal hatten die Horror-Reiter auf der Seite des Schwarzen Todes gestanden, aber sie waren durch Sinclairs Kreuz in unendlich weite Dimensionen hineingeschleudert worden, dann aber zurückgekehrt, und es hatte harte Auseinandersetzungen gegeben, bis sie schließlich eine neue Aufgabe gefunden hatten, obwohl sie noch immer den Erzdämonen dienten, unter deren Schutz sie standen.
Diese vier waren praktisch der direkte Draht zu Luzifer, der sich auf sie verließ und die Dreigestalt des eigentlichen Teufels mehr in den Hintergrund geschoben hatte.
Die Karten waren neu gemischt worden, und Suko wollte, dass das Spiel nicht mehr aufgezogen wurde.
Der Himmel war bedeckt. Wolkenberge türmten sich in grauen Schichten. Er konnte auch nichts Verdächtiges im Park feststellen, aber er fühlte sich trotzdem nicht wohl. Die Erinnerung an das Erscheinen des Horror-Reiters war noch zu frisch. Er und sein Freund John Sinclair hatten eine blutige Wunde in das Gefüge gerissen, und da musste die andere Seite eben reagieren, was sie auch tun würde.
Zum Glück hatte sie sich bis jetzt zurückgehalten.
Suko drehte sich um, als er das leise Knarren hörte. Die Tür war geöffnet worden. Robert Morse kehrte zurück. Er blieb nahe der Tür stehen, drehte sich und schloss sie dann wieder behutsam. Suko sah keine Veränderung an ihm. Der Mann hielt nichts in der Hand, kein Buch, kein Schriftstück oder etwas Ähnliches, mit dem der Inspektor schon gerechnet hatte.
Er löste sich von seinem Platz, drehte der Scheibe wieder den Rücken zu und ging dem heranschlurfenden Robert Morse entgegen.
Der stoppte, als er seinen Schaukelstuhl erreicht hatte. Bevor er sich setzte, lächelte er Suko zu. »Sie sehen enttäuscht aus, Inspektor? Hat es Ihnen zu lange gedauert? Mir auch, aber da war eine Schwester, die mich unbedingt ins Bett schicken wollte, doch dazu habe ich nun wirklich keine Lust.« Er stöhnte auf, als er für einen Moment vor dem Sessel stehenblieb und sich dann setzte.
»So, das wäre geschafft.« Er schaukelte vor und zurück. Dabei amüsierte er sich über das gespannte Gesicht des ihm gegenüber sitzenden Suko, der fragen wollte, jedoch verstummte, als Morse die Hand hob. »Keine Sorge, es ist alles gerichtet.« Er drückte sich zur linken Seite, um besser in die rechte Hosentasche greifen zu können.
»Ich war in meinem Zimmer«, sagte er dabei, »und hier habe ich es. Es ist mein wertvollster Besitz, Inspektor, das Orakel, wie ich es nannte.«
»Ich bin gespannt.«
»Das können Sie auch. Denn was ich Ihnen jetzt zeige, hat kaum jemand gesehen, mein Partner ausgenommen. Es ist ein gewaltiger Beweis meines Vertrauens zu Ihnen.« Er hatte noch immer die etwas unbequeme Haltung eingenommen, setzte sich dann wieder normal hin, dennoch sah Suko nicht, was er aus seiner Hosentasche geholt hatte, weil Morse es geschickt mit beiden Händen verbarg.
»Kommen Sie etwas näher«, flüsterte er.
Suko tat ihm den Gefallen.
Morse streckte seine Arme aus. Die Hände hatte er aufeinander gelegt, sodass sie ein Oval bildeten. Die Linke lag unten, die Rechte benutzte er als Deckel.
Mit einer ruckartigen Bewegung hob er sie an.
»Bitte, Inspektor«, krächzte er, »das Orakel…«
***
Suko schaute hin und sagte nichts. Er hätte auch nicht gewusst, wie er reagieren sollte, denn er hatte sich überhaupt keine Vorstellungen von dem gemacht, was das Orakel wohl hätte sein können. Nun, da es frei vor ihm lag, schwieg er zunächst.
Es war eine Münze, ein Taler, ein Geldstück – was auch immer. Es war ziemlich groß und glänzte wie pures Gold. Suko wusste nicht, was er damit anfangen sollte, doch er schaute sehr genau hin und entdeckte die Gravur auf der Oberseite.
Sie zeigte einen Mann in einem Boot, der über einen Fluss ruderte.
Der Mann wirkte so wie eine biblische Gestalt, er hatte den Kopf leicht angehoben und schaute in eine weite, sehr weite Ferne, die nur allein für ihn interessant war.
Fluss, Boot und Mann nahmen mehr als Dreiviertel der
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