0802 - Besuch aus der Hölle
Sogar Stygia kämpfte seit Jahren vergeblich gegen ihn. Die Zahl von Zamorras Opfern war Legion, und der Gedanke, sich dem Dämonenjäger stellen zu müssen, gefiel Artok überhaupt nicht. Ja, sogar Asmodis selbst, der legendäre Herrscher und Vorgänger Stygias auf dem Höllenthron, hatte niemals über Zamorra triumphieren können.
Locke ihn in eine Falle…
Ha! Warum tat der Dämon im Schatten es nicht selbst, sondern delegierte es an ihn weiter?
Die Antwort lag auf der Hand. So großspurig und selbstsicher er tat, er hatte selbst Angst vor Zamorra.
Artok schüttelte die schwermütigen Gedanken ab. Es blieb ihm keine andere Wahl, als den Befehl zu befolgen. Doch er musste raffiniert vorgehen, um nicht das nächste Opfer des Dämonenkillers zu werden.
Als es dunkelte, mischte er sich unter die Besucher des größten Lokals der Inselhauptstadt. Obwohl ihm das Tageslicht keine wirklichen Probleme bereitete, fühlte er sich in der Dämmerung und der Nacht wohler als tagsüber. Außerdem versammelten sich erst jetzt die Einwohner des Dorfes in der Kneipe. Artok wollte herausfinden, welche Spuren Koscheks Ableben hinterlassen hatte und ob Zamorra bereits öffentlich in Erscheinung getreten war. Die Art der Falle hing davon ab.
Bald hörten seine feinen Ohren aus den zahlreichen Gesprächen an den verschiedenen Tischen das heraus, das für ihn das Entscheidende war. Artok interessierte sich nicht für das Geplänkel der Touristen oder die neuesten Liebesgeschichten der Inseljugend.
»Paola will den Leibhaftigen gesehen haben!«, zischte ein dicker, derb aussehender Grieche, dessen Oberkörper nur mit einem verfleckten, ehemals weißen Unterhemd bekleidet war.
»Wenn es um solche Dinge geht, würde ich kaum jemand weniger Vertrauen schenken als Paola Lukos«, erwiderte ein schlanker Mittfünfziger, dessen Gesicht eine Brille mit dünnem blauem Metallrahmen zierte.
»Ach du«, winkte der Derbe ab und fuhr sich durch die fettigen langen Haare, »du vertraust sowieso nur dem, was in deinen tollen Büchern zu lesen ist, die außer dir niemand versteht!«
»Viele verstehen sie, nur du nicht«, entgegnete der Brillenträger, doch als er weitersprechen wollte, wurde er von den anderen Männern am Tisch unterbrochen.
»Wenn es dich nicht interessiert, was Paola gesehen hat, dann kannst du ja verschwinden. Wir jedenfalls wollen es wissen!«
Artok war froh, als der Brillenträger genau dies tat. Den Leibhaftigen gesehen… dabei konnte es sich nur um den vernichteten Koschek handeln. Artok kannte die Menschen gut genug, um zu wissen, dass sie eine Gestalt wie Koschek mit dem Teufel gleichsetzten. Lächerlich, wie ignorant die Menschen waren. Sie gaben sich lieber mit irgendwelchen aus vergangenen Jahrhunderten stammenden Vorstellungen zufrieden, als sich mit der Realität auseinander zu setzen. Stygia zum Beispiel sah ganz anders aus als Koschek. Er hatte sie einmal aus der Ferne gesehen, und allein ihre Gestalt hatte ihm den Atem geraubt.
»Was hat Paola dir gesagt?«, fragte die einzige Frau in der Runde, ein Mannweib, wie Artok selten eines gesehen hatte. Kurz geschnittene Haare, muskulöse Oberarme, kleine Brüste - wenn man nicht genau hinsah, konnte man sie glatt für einen Kerl halten.
»Sie war im Wald unterwegs, als der Teufel auf sie zukam und sie töten wollte…« Der Dicke machte eine künstlerische Pause und zog sein Unterhemd stramm über seinen Bierbauch.
»Warum gerade sie?«, fragte die Frau. »Was kann er ausgerechnet von Paola gewollt haben?«
»Das hat sie mir nicht gesagt. Aber es wird schon seinen Grund haben«, antwortete der Dicke verschwörerisch. »Doch darauf kommt es jetzt nicht an. Gerade als der Leibhaftige schon seine Klauen nach Paola ausstreckte, da geschah etwas völlig Unerwartetes!«
»Nun mach’s nicht so verdammt spannend!«, rief das Mannweib und setzte ein gewaltiges Bierglas an die Lippen.
»Zwei Typen sind aufgetaucht und haben den Leibhaftigen vertrieben!«
»Waren das Priester oder was?«
»Hm…«, brummte der Dicke und hob demonstrativ die Schultern. »Vielleicht ja, vielleicht nein. Die beiden - übrigens ein Kerl und eine Frau - behaupteten, sie seien ganz normale Menschen. Paola verriet mir aber, dass sie das keinen Augenblick geglaubt hat!«
»Wer könnte den Teufel vertreiben? Doch nur irgendwelche Priester!«
»Eine Frau kann doch gar kein Priester sein«, eröffnete die Matrone altklug und schüttelte den Kopf.
Der Berichterstatter hob die rechte Hand und
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