0802 - Besuch aus der Hölle
sich uns bietet, einfach nutzen.« Er wandte sich an Millings. »Was haben Sie vor? Die Einladung galt offenbar nur Nicole und mir.«
»Ich werde trotzdem mitgehen, denn ich habe einen toten Freund zu rächen.«
***
Andrew Millings folgte dem seltsamen Gespann. Die junge Frau, die offensichtlich nicht Herr ihres eigenen Willens war, ging zielstrebig in Richtung Ortsausgang. Zamorra und Nicole Duval folgten ihr, und er ebenfalls.
Was er eben erfahren hatte, beunruhigte ihn zutiefst. Nach Zamorras Worten befanden sich bereits mehrere Dämonen auf der Insel, und sicherlich waren sie hinter ihm her.
Millings spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Wodurch war er den Höllenmächten nur aufgefallen nach all der Zeit? Welchen Fehler hatte er begangen, der ihn verraten hatte?
Letztendlich bedeutete die Tatsache, dass er entdeckt worden war, nicht nur die Verfolgung durch die Dämonen. Selbst wenn er von hier entkommen sollte, würde sich mindestens eine weitere Instanz auf seine Fersen heften, denn was er getan hatte - wie er seit Jahrhunderten lebte -, konnte nicht stillschweigend akzeptiert werden, da war er sich sicher.
»Wo will die Gute uns denn noch hinführen?«, stöhnte Nicole Duval.
»Wenn ich das wüsste, bräuchten wir ihr ja nicht zu folgen«, antwortete Zamorra.
Tatsächlich war der Weg mittlerweile beschwerlich geworden. Sie hatten die kleine Anhöhe über den Naturhafen erklommen. Hier wuchsen nur recht stachelige Bodensträucher rechts und links des notdürftigen Pfades. Die Sonne brannte auch um diese frühe Morgenzeit schon gnadenlos vom Himmel, und da es keinen Schatten gab, gerieten sie mächtig ins Schwitzen. Normalerweise entschädigte der atemberaubende Ausblick für die Strapazen, doch für den hatten sie in dieser Situation keinen Sinn.
»Verflixt!«, rief Duval im nächsten Moment und fuhr sich mit der Hand über den rechten Unterschenkel. Dort hatte ein Dorn einen Kratzer hinterlassen.
»Weiter!«, forderte Andrew Millings. »Diese… Beeinflusste legt ein ordentliches Tempo vor. Wir dürfen uns nicht abhängen lassen!«
»Sklaventreiber!«, fauchte Nicole Duval, und in diesem Moment war sie Andrew durchaus sympathisch. Er fragte sich, ob er ihr und ihrem Begleiter gegenüber nicht offener sein sollte. Aber er wollte lieber vorsichtig bleiben.
»Wir nähern uns der Ostseite der Insel«, erklärte er.
»Und was bedeutet das?«, fragte Zamorra.
Andrew dachte einen Moment nach. »Ich bin mir nicht sicher. Aber an der Ostseite fallen steile Felshänge ins Meer, das dort sehr aufgewühlt und rau ist. Kein Vergleich mit den kleinen Naturbadestränden, die Sie bisher gesehen haben, Professor.«
»Also unzugängliches, karges Land?«
»So ist es - zumindest für Menschen.«
»Machen Sie langsamer, Paola!«, rief Nicole Duval. »Wenn Sie uns irgendwo hinführen wollen, dann achten Sie darauf, dass wir auch nachkommen!«
Die Beeinflusste reagierte nicht. Unbeirrt und scheinbar unermüdlich lief sie weiter.
»Es gibt an der Ostseite jede Menge Grotten und Höhlen«, griff Andrew das Thema wieder auf. »Ideale Orte, an denen sich Dämonen verkriechen können, die von Menschen nicht gestört werden wollen.«
»Also können wir die Dämonen auch ohne Paola ausfindig machen, wenn Sie mit Ihrer Vermutung Recht haben?«
»Vergessen Sie’s. Da gibt es zu viele Möglichkeiten, sich zu verkriechen. Die Felswände sind übersät von Grotten. Da könnten wir tagelang suchen, zumal einige der Höhlen kaum zugänglich sind.«
Der Pfad führte jetzt dicht an einem Abhang vorbei. Dornige Büsche und Bodengewächse wucherten noch etwa einen halben Meter neben dem Weg, danach gähnte ein zerklüfteter Abgrund von mehr als zehn Metern über dem tosenden, von Klippen durchschnittenen Meer.
Paola Lukos blieb stehen.
»Wir sind fast da!«, sagte sie hölzern.
»Hier?«, fragte Nicole verblüfft, die direkt neben ihr zum Stehen kam. Ein angenehm kühler, vom Meer her kommender Wind fuhr ihr durch die Haare.
»Hier«, antwortete die Beeinflusste einsilbig - und schlug Nicole ansatzlos ihre Faust gegen die Schläfe!
Es gelang Nicole zwar noch, eine Ausweichbewegung zu machen und dem Schlag dadurch seine Gewalt zu nehmen, doch die verbleibende Wucht genügte, Nicole stürzen zu lassen.
Andrew sah, wie sie über die Kante des Abgrunds kippte…
***
Zamorra schrie auf!
Entsetzt beobachtete er den Sturz Nicoles, ohne nahe genug bei ihr zu sein, um sie noch festhalten zu können.
Paola Lukos
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