0802 - Besuch aus der Hölle
ihm?«, fragte Nicole, als sie Millings’ Haus verlassen hatten.
»Ich glaube nicht, dass er ein Feind ist. Aber ich kann ihn nicht einschätzen.«
»Also schon wieder jemand zwischen allen Stühlen? Weder Freund noch Feind?«
»Warten wir es ab. Er hat etwas zu verbergen, und das macht ihn nicht gerade sympathisch.«
»Allerdings haben wir ihm auch nicht alles erzählt.«
»Dazu hätten wir auch ganz schön lange gebraucht«, grinste Zamorra. »Unsere Erlebnisse könnten ganze Bücherwände füllen!«
»Doch wer würde so etwas lesen wollen? Das würde doch keiner glauben!«
»Wenn wir alt sind, könnten wir es ja als Romane verkaufen. Das gäbe doch eine nette, endlos lange Serie.«
Nicole lachte. »Das Problem dabei ist allerdings, dass wir nicht alt werden…«
***
In einer unzugänglichen Grotte auf der dem rauen Meer zugewandten Seite der Insel
»Es ist Zamorra!«, zischte der breitschultrige Vampir.
»Bist du dir sicher?« Das über und über behaarte Monstrum spuckte diese Worte aus, während es an einem Batzen rohen Fleisches kaute.
»Ich habe ihn niedergeschlagen und wollte ihn gerade töten, als sein verfluchtes Amulett einen Angriff auf mich startete! Ich bin nur knapp mit dem Leben davongekommen, und darum: Ja verdammt, ich bin mir sicher!«
»Er hat Koschek vernichtet.« Die Stimme hallte laut durch die Grotte und brachte alle anderen Gespräche augenblicklich zum Verstummen. »Das kann ich nicht akzeptieren.«
»Akzeptieren?«, fragte der Vampir. »Du?«
»Ich habe euch hierher gerufen, und ich werde es nicht zulassen, dass ein dahergelaufener selbst ernannter Dämonenjäger alles zerstört, was ich lange vorbereitet habe!« Der Dämon sprach aus dem Schatten heraus. Die Autorität seiner Worte ließ den Vampir verstummen.
Nicht aber das behaarte Monstrum, das grollte: »Zamorra ist ein ernst zu nehmender Gegner, und wir wissen nicht, ob er allein gekommen ist oder…«
»Selbst wenn er all seine dreimal verfluchten Mitstreiter hierher geschleppt hat, wir werden ihnen den Garaus machen!« Es knirschte in dem Schattenbereich, als würden Steine zermahlen. Ein schleimiges Geräusch folgte, als versinke ein sich wehrendes Tier in einem zähflüssigen See.
»Wir dürfen uns nicht überschätzen«, versuchte der Vampir einen Einwand.
»Und deshalb sollen wir wohl alle vor Zamorra fliehen, selbst wenn er ohnmächtig vor uns auf dem Boden liegt?«, höhnte die Stimme.
»Ich sagte bereits, dass das Amulett…«
»Schweig! Du wirst losziehen und unserem Feind ein Opfer vor die Füße legen! Und hinterlasse eine Spur, die er verfolgen kann!« Ein schlürfendes Saugen drang durch die Grotte. »Locke ihn in eine Falle, und wenn er dann vor dir steht, dann solltest du schnell sein und ihn nicht nur ohnmächtig schlagen, sondern ihm gleich den Kopf von den Schultern trennen!«
»Ich habe das Metallplättchen an mich gebracht, von dem Koschek sprach«, wechselte der Vampir das Thema.
»Wenigstens das ist dir gelungen«, höhnte die Stimme aus dem Schatten. »Gib es mir, und ich werde sehen, ob Koscheks Befürchtungen berechtigt waren.«
»Ich vermute nicht. Ich spüre keinerlei magische Wirkung.« Der Vampir trat vor und reichte das Plättchen dem Anführer der hiesigen Dämonenversammlung.
Eine scheußliche Klaue griff danach. »Ich denke, du hast Recht. Es ist ein wertloser Ziergegenstand. Koscheks Opfer trug es zufällig bei sich.«
»Lass uns überlegen…«
»Nichts werden wir! Du wirst losziehen und Zamorra töten, wie ich es dir befohlen habe!«
***
Artok hatte lange nachgedacht. Der Vampir war nicht glücklich über den Auftrag, den er erhalten hatte. Er war ein eher vorsichtiger Bursche, und gerade deswegen war er hierher nach Paxos gekommen, als der Ruf ihn ereilt hatte.
Eine Falle für Touristen hatten sie aufbauen wollen. Diese abgeschiedene Insel war ihm wie eine sichere und gefahrlose Bleibe für die nächsten Jahre erschienen, weitab von den Brennpunkten der Welt.
Doch nun war alles anders geworden. Zamorra war hier aufgetaucht. Ausgerechnet Zamorra…
Artok war froh gewesen, die erste Begegnung mit dem Dämonenjäger und seinem Amulett überstanden zu haben. Dessen Kräfte schienen die Legenden noch zu übertreffen, die sich um Merlins Stern rankten. Und jetzt dieser Auftrag!
Locke ihn in eine Falle und trenne ihm den Kopf von den Schultern!
Dieser Befehl war für den Vampir wie purer Hohn. Als ob das so einfach wäre. Schon viele Dämonen waren Zamorra unterlegen.
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