0802 - Der Wächter
hatte ich keinen Blick, nicht für die Berge, deren Kuppen und Grate sich wie erstarrte Tinte im Hintergrund abhoben, und auch nicht für die weiten, flachen Hänge in der Wüste Negev. Ebenso interessierten mich nicht die seltsam und skurril anmutenden Steinformationen, aus denen Menschen mit Fantasie viele Gestalten hätten herauslesen können. Ich wusste, dass in meiner Nähe ein Killer lauerte, der einen Bekannten von mir, David Stern, auf dem Gewissen hatte.
Der israelische Journalist Stern war derjenige gewesen, der mich erst auf die Spur gebracht hatte, denn er hatte gewusst, wo das alte Kloster Gamala lag, in dem wir hofften, die Spur zu finden, die uns letztendlich zum Versteck der geheimnisvollen Bundeslade führte.
Noch war nichts bewiesen, noch tappten wir im Dunkeln und konnten nur den vagen Hinweisen nachgehen. Ein wenig Optimismus war über uns gekommen, als wir einen alten Brunnen, in dem die Leiche des David Stern gesteckt hatte, genauer untersuchten.
Allerdings noch in der Theorie. Aber wir waren davon ausgegangen, dass dieser voll geschüttete Brunnen doch das eine oder andere Geheimnis in sich bergen konnte. Diese Beweise zu finden, würde uns nicht leicht fallen. Jedenfalls suchten wir noch nach dem Schlüssel, der bestimmt in der Nähe lag.
Das war Theorie, die Praxis sah anders aus.
Der Killer musste noch hier lauern!
Ich glaubte nicht daran, dass er sich nur mit einem Toten zufrieden geben würde. Er hatte sich nicht nur durch David Stern gestört gefühlt, auch Suko, Bill und ich waren daran beteiligt, und er würde versuchen, uns ins Jenseits zu schicken.
Wo er sich aufhielt, wussten wir natürlich nicht. Obwohl das Kloster nur mehr aus alten Ruinen bestand, war es doch relativ groß und bot dementsprechende Versteckmöglichkeiten. Darauf wollte allerdings keiner von uns bauen, so mussten wir auch davon ausgehen, dass sich der Mörder eventuell vor dem Kloster aufhielt, und deshalb wollte ich hier den Wachtposten spielen.
Irgendwo wartete ich auch darauf, von ihm angegriffen zu werden. Es musste einfach weitergehen, Stillstand hasste ich. Beinahe wartete ich darauf, dass er mich angriff.
Getan hatte sich bisher nichts.
Ich hatte das Innere des Klosters durch eine der zahlreichen Öffnungen verlassen, kam mir ein wenig verloren vor, schaute nach vorn und konnte mich entscheiden, in welche der beiden sich bietenden Richtungen ich gehen wollte.
Nach rechts oder nach links. Ich würde bei beiden meine Runde drehen können.
Ich entschied mich für die linke Seite und drehte mich dabei sehr langsam um. Überhaupt wollte ich jede Hektik vermeiden, ebenso überflüssige Geräusche, denn wenn jemand auf mich lauerte, wollte ich ihn nicht schon zu früh auf mich aufmerksam machen.
Es tat sich nichts.
Ich hätte mir mutterseelenallein vorkommen können. Mein Gefühl aber wehrte sich dagegen. Ich war nicht allein, sondern spürte den Druck der Gefahr im Nacken. In meinem Fall wurde er durch einen kaltwarmen Schweißfilm gebildet, der auch den übrigen Körper bedeckte.
Ich bewegte mich mit sehr langsamen Schritten weiter und setzte die Füße zudem vorsichtig auf, denn jedes überflüssige Geräusch konnte tödlich sein.
Die normale Stille blieb.
An die üblichen nächtlichen Geräusche hatte ich mich inzwischen gewöhnt. Deshalb würde ich ein fremdes auch sofort unterscheiden können, aber keiner tat mir den Gefallen.
Ich hatte unseren Lagerplatz, wo die beiden Zelte, die Kochstelle und der Jeep standen, nicht durchsucht, sondern hatte mich in die entgegengesetzte Richtung begeben und schritt parallel zur Ruinenmauer dahin. Sie lag an meiner linken Seite und wuchs dort wie ein unterschiedlich hoher Schattenwall.
Mal war sie eingefallen, mal ausgebeult, und auf dem Rand schien die Dunkelheit zu liegen wie ein Schwamm, der sich in alle Löcher und Spalten gedrückt hatte.
Etwas erregte meine Aufmerksamkeit, und ich blieb stehen. Ich hatte nicht genau erkennen können, was es gewesen war, aber es musste mit der vor mir liegenden Mauerkrone zu tun gehabt haben, denn auf ihr war für einen Moment eine gewisse Bewegung entstanden.
Noch einmal schaute ich hin.
Ich ging sogar zwei Schritte vor, doch die Bewegung war verschwunden.
Dafür hörte ich etwas anderes.
Einen leise und gleichzeitig dumpf klingenden Laut, als wäre etwas von oben her nach unten auf den Boden gefallen. So hörte es sich auch an, wenn ein Boxer gegen einen Sandsack schlug, nur hielt sich in dieser Umgebung
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