0802 - Der Wächter
landen.«
»Kann es nicht sein, dass ich schon vor Ihnen hier gewesen bin, Mister?«
»Ich heiße übrigens Sinclair, John Sinclair.«
Er legte den Kopf schief. »Wie nett. Engländer, denke ich.«
»So ist es. Wenn Sie vor uns hier waren, hätten Sie auch meine Freunde sehen müssen.«
»Kann sein…«
»Warum haben Sie sich nicht gemeldet?«
Er hob die Schultern. »Wissen Sie, Mr. Sinclair, ich kann durchaus meine Gründe gehabt haben.«
»Ein Versteckspiel.«
Er lachte wieder. »Sehen Sie es, wie Sie es wollen. Jedenfalls haben wir uns getroffen.«
Ja, und darauf hätte ich gern verzichten können. Je mehr Zeit verstrich und je länger wir uns unterhielten, umso weniger gefiel mir dieser Mann. Er war einfach schlimm, obwohl er nichts tat. Er gab sich überheblich und sehr sicher. Er stand da, als wäre er der Herr des Klosters, der alles im Griff hatte. Sein Lächeln und seine Stimme ließen mich wissen, dass ich mehr ein Statist in diesem Spiel war, und ich hatte natürlich nicht vergessen, auf welch grausame Art und Weise der Journalist David Stern getötet worden war.
»Sie wollen mir nicht sagen, wer Sie sind, und was Sie hier zu suchen haben, Smith?«
»Das Gleiche könnte ich Sie fragen.«
»Ein Bekannter hat uns hergebracht. Wir wollten uns in den Ruinen ein wenig umschauen.«
»Sind Sie Archäologen?«
»So ähnlich,«
»Hieß der Bekannte zufällig David Stern?«, fragte er.
Aha, dachte ich. Er gibt etwas preis. Er weiß mehr, als er bisher zugegeben hat. Ob ihn meine Fragen provoziert hatten oder nicht, das war mir egal, jedenfalls brachte er durch seine Antworten etwas Licht in das Dunkel. »So hieß er tatsächlich.«
»Da haben wir ja eine Gemeinsamkeit, ich bin von David informiert worden, dass er sich hier aufhält.«
»Sollten Sie ihn unterstützen?«
»Etwas die Augen aufhalten. David ist misstrauisch. Es kann sein, dass er Ihnen nicht getraut hat.«
»David war misstrauisch«, korrigierte ich.
»Wieso?«
»Er lebt nicht mehr!«
Smith versuchte sich als Schauspieler. Er stieß die Luft aus, er war plötzlich bleich geworden, hob die Schultern, aber seine Bewegung wirkte nicht echt. Er schaffte es einfach nicht, mich zu überzeugen. »Nun«, sagte er dann…
»Haben Sie nicht gehört? Er ist tot…«
»Ja, ja, Sie haben laut genug gesprochen. Aber was soll ich dagegen machen?«
»Wussten Sie es?«
Er hob die Schultern und ließ die Antwort offen. »Wissen Sie, Sinclair, es gibt gewisse Dinge, die lassen sich einfach nicht ändern. So ist das im Leben.«
»Wie schön. Können Sie sich denn vorstellen, dass ich ein Interesse daran habe, seinen Mörder zu finden?«
»Durchaus.« Er kickte einen kleinen Stein weg. »Es ist schon möglich, dass Sie und Ihre Freunde geschockt waren. Auf einmal ist jemand tot.« Er nickte. »Wie ist er denn gestorben? Durch einen Herzschlag oder vielleicht vor Schreck…«
»Nein, Smith, man hat ihn umgebracht. Auf eine scheußliche Art und Weise in den Tod befördert. Es war einfach grausam.«
»Das tut mir Leid.«
»Glaube ich Ihnen nicht.«
Smith ging auf meine Bemerkung nicht ein. »Und jetzt suchen Sie seinen Mörder, wie?«
»Das denke ich.«
Smith lächelte. Seine Lippen zuckten dabei. »Tja, wer könnte es denn sein?«
»Aus unserer Gruppe bestimmt niemand.«
»Ahhh – verstehe. Dann halten Sie mich für den Mörder. Sehe ich das richtig?«
»Ich habe mit dem Gedanken gespielt.«
Er streckte den Zeigefinger aus und deutete auf meine rechte Körperseite. »Deshalb also die Waffe. Sie wollten sich nicht überraschen lassen. Kann ich begreifen.«
»Der Verdacht liegt doch nahe, dass Sie es getan haben, Smith.«
»Doch, sicher.« Er nickte. »Das gebe ich unumwunden zu. Ja, da haben Sie Recht. Und Ihre Freunde denken auch so…«
Ich enthielt mich einer Antwort, weil ich mich auf ihn konzentrierte, aber es war einfach zu dunkel, um auf seiner Gestalt Blutspuren entdecken zu können. Für mich stand fest, dass Stern bei seinem schrecklichen Tod geblutet haben musste, und sein Mörder hatte die Kleidung sicherlich nicht perfekt gesäubert.
»Sie sagen ja nichts, Sinclair.«
»Ja, meine Freunde denken auch so«
»Wir könnten sie doch fragen.«
Was steckte dahinter? Warum wollte er plötzlich Bill und Suko kennen lernen, falls er sie nicht schon längst kannte, weil er uns beobachtet hatte. Ich traute diesem Smith alles zu. Nicht nur den Mord, auch dass er mich an der langen Leine führte und mich schließlich dorthin
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