0802 - Der Wächter
John.«
»Warum?«
»Wahrscheinlich war alles umsonst.« Er schaute zu Boden. »Ich weiß es nicht genau, aber ich habe gesehen, dass ein Motiv verlosch, als ich den Wächter tötete, und ich habe auch einen Schrei aus der Wand gehört.«
»Was hast du?«
»Da war ein dunkles Gesicht. Ich dachte mir, dass so dieser untote Wächter einmal ausgesehen hatte, früher zumindest, vor Tausenden von Jahren meinetwegen. Jedenfalls brüllte das Gesicht auf, als der Wächter starb. Deshalb ist es verschwunden. Jetzt denke ich, dass ich doch einen Fehler begangen habe. Es kann sein, dass durch meine Tat die Magie der Wand einfach zerstört wurde. Es… es gibt sie nicht mehr.«
»Meinst du?«
»Ja.«
»Das ist doch Unsinn«, mischte sich Bill ein. »Wir werden uns die Wand anschauen und dann erkennen können, ob du Recht gehabt hast. Ich will das nicht glauben. Soll denn unsere Mühe umsonst gewesen sein?«
»Hoffentlich nicht.«
Bill dachte praktisch. Er fing damit an, die Schalen hochzunehmen und stellte sie so hin, dass sie die Wand anleuchteten.
Ich half meinem Freund dabei, schielte immer wieder hoch, während Suko wie verloren daneben stand. Er war tief in seine Gedanken versunken und machte sich wohl noch immer Vorwürfe, das war begreiflich, denn als ich einige Male an der Wand hochschaute, da sah ich nichts.
Ich stellte die letzte Schale ab und trat einige Schritte zurück. So hatte ich einen besseren Überblick und konnte die Wand praktisch in ihrer Breite sehen.
Ja, es war eine Fläche. Meinetwegen auch eine Wand. Dass wir wegen eines derartigen Gegenstands diese großen Mühen auf uns genommen hatten, wollte mir nicht in den Kopf.
Sie war leer.
Ich hörte hinter mir die Schritte meiner beiden Freunde. Neben mir blieben Suko und Bill stehen. Sie schwiegen, jeder von uns hing für einen Moment den eigenen Gedanken nach, bis Suko schließlich noch einmal zugab, dass er die Schuld allein auf sich nehmen würde.
»Das ist doch Unsinn«, widersprach ich.
»Warum? Schau sie dir genau an. Sie ist da, sie ist auch anders als die Mauern hier. Sie schimmert hell, es muss etwas Besonderes mit ihr sein, nur hat sich dieses Besondere eben zurückgezogen, weil ich zu voreilig war.«
»Wenn dem so wäre, wohin hätte es sich denn zurückziehen können?«, fragte Bill.
Suko hob die Schultern. »Was weiß ich?«
»Kann es ein Dimensionstor sein?« In Bills Stimme schwang Hoffnung mit. »Wenn ja, könnte man es vielleicht öffnen und hineintauchen in eine andere Welt.«
»Das wäre einen Versuch wert«, sagte ich.
»Dann tu es, John!« Er wollte mich vorschieben. Ich widerstand dem Druck und blieb erst einmal stehen. In der rechten Tasche trug ich das Kreuz.
Kein Allheilmittel, ich wusste es. In diesem Fall vertraute ich auf seine Kraft, denn auch das Gesicht König Salomons am Himmel hatte mit dem Kreuz Verbindung aufgenommen. Warum nicht diese geheimnisvolle, jetzt leider leere Wand?
»Ich glaube es nicht, John«, sagte Suko. Aus seiner Stimme hörte ich eine tiefe Depression heraus.
»Warum nicht?«
Er atmete zischend die schlechte Luft ein. »Weil hier alles anders geworden ist. Durch meine Tat habe ich den Rest der Magie genommen. Das musst du doch einsehen.«
»Nein, das sehe ich nicht ein. Auch du hast nie so leicht aufgegeben, Suko, das weißt du selbst. Denke nur mal daran, welche Anstrengungen wir unternommen haben, um das Kloster Gamala zu finden. Wir sahen die Ruine, wir waren enttäuscht, als wir sie durchsuchten und keine Wand entdeckten. Jetzt haben wir sie entdeckt, und für mich ist sie ein Stück uralter Magie, die in die Neuzeit hinüber gerettet worden ist. Kannst du das denn nicht begreifen?«
Suko wollte es nicht, denn er fragte: »Wo denn, John? Wo ist diese Magie? Gehe hin und zeige sie mir. Sie ist nicht mehr da, sie ist verschwunden, sie hat sich zurückgezogen, meinetwegen auch in ihre Zeit. Ich glaube nicht, dass die Wand ein Dimensionstor ist. Sie ist eine Mauer. Du kannst dagegen laufen und dir den Kopf einrennen, das ist alles. Wir stehen wieder da, wo wir einmal waren. Man hat uns die Chancen genommen. Man will nicht, dass Menschen dem Geheimnis der Bundeslade auf die Spur kommen, daran solltest du denken.«
»Wer ist man?«, fragte Bill.
Suko hob die Schultern. »Was weiß ich! Vielleicht die Kreaturen der Finsternis? Oder die Erzdämonen?«
»Glaubst du, dass sie die Wand unter Kontrolle halten?«
»Wer sonst?«
Ich beendete das Gespräch der beiden durch eine abrupte
Weitere Kostenlose Bücher