0803 - Meleniks Mordnacht
schwerfällig, sie stöhnte auch in den Angeln, und wenig später hatte der Mann die Schwelle überschritten.
Er ging auch jetzt noch schwankend, als er in das gewaltige und von einer irgendwie eisigen Kühle durchwehte Gotteshaus wankte.
Er kannte es gut, er hatte sich hier immer wohl gefühlt, bis zu diesem Abend eben, kam ihm das Innere vor wie eine riesige Gruft, die nur darauf gelauert hatte, ihn gefangen zu nehmen.
Eine sehr hohe Decke, breite Gänge, die geschnitzten Bankreihen, die wie ein dunkler, schwebender Fluss nach vorn hin verschwanden. Die Gemälde, die Figuren auf den Sockeln und an den Wänden, all das kannte er und nahm es nicht wahr.
Die beiden breiten Seitenschiffe verschwanden ebenfalls in der Dunkelheit, aber vorn, wo der prächtige Hochaltar seinen Platz gefunden hatte, war es heller.
Dort tanzten die kleinen Flammen auf den Dochten der Kerzen und erhellten ein wenig das Gotteshaus.
Auch in den Seitengängen flackerten die Kerzenlichter.
Der Küster keuchte. Noch immer hatte er seine Überraschung nicht verdaut. Er brauchte jetzt einen Platz, wo er sich ausruhen konnte. Da kam ihm die letzte Bankreihe gerade recht.
Für einen Moment blieb er noch im Mittelgang stehen und schaute auf das Muster der Steine, die den Boden bedeckten. Er hatte das Gefühl, als würden sie sich bewegen wie Wellen, ihm entgegenquellen, um sich einen Moment später wieder zurückzuziehen.
In der Kirche war es kalt. Es war hier eigentlich nie warm, auch nicht im heißesten Sommer, dafür sorgten die dicken Mauern.
Er schauderte zusammen, als er sich nach links bewegte und sich in die schmale Bankreihe hineindrückte. Schon nach dem ersten Schritt ließ er sich auf der dunklen Sitzfläche nieder, blieb erst einmal dort hocken und drückte die Beine vor.
Er legte die Hacken auf die Kniebank, schloss für einen Moment die Augen und hoffte darauf, dass ihm das Innere der Kathedrale wieder diese Ruhe vermittelte, die er gewohnt war.
Nicht heute.
Der Küster blieb nervös und aufgeregt. Auch sein Herzschlag hatte sich nicht beruhigt. Immer wieder pumpte er, das Blut war in den Kopf gestiegen, es rauschte, und als der Mann die Hände falten wollte, da merkte er, dass sie noch immer zitterten.
Die Lampe hatte er neben sich auf die Bank gelegt und ausgeschaltet. Er brauchte sie nicht mehr. Es war zwar nicht hell, doch das Licht reichte aus, umsehen zu können.
Erst jetzt, als er einigermaßen Ruhe bekam, wurde ihm noch einmal bewusst, was da geschehen war. Er schaffte eine für ihn zufrieden stellende Analyse, und es blieb die Tatsache bestehen, dass es die dritte Figur nicht mehr gab.
Sie war verschwunden! Weg… jemand musste sie entfernt haben. Das wiederum war nicht möglich, weil die Figur einfach zu viel wog.
Nein, da musste es einen anderen Grund geben.
Wieder fielen ihm die Aussagen der Frau ein. Sie hatte von den glühenden Augen gesprochen. Und Augen glühten oder lebten nur, wenn die Person selbst auch am Leben war.
Sollte das… sollte das bedeuten, dass die steinerne Skulptur zum Leben erwacht war?
Ein lebendes Denkmal!
Der Küster erschrak über seine eigenen Folgerungen. Er wollte sie nicht akzeptieren, denn das war nicht möglich. So etwas konnte es einfach nicht geben, nein, das…
Aber wie sonst…?
Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken. Augenblicklich versteinerte er auf der hölzernen Kirchenbank, obwohl das Geräusch völlig normal zu erklären war.
Hinter ihm hatte jemand die Tür geöffnet.
Er hörte Schritte.
Sie fiel wieder zu.
Zögernd und schleifend, als hätte die Person Furcht davor, die Kathedrale zu betreten.
Cocard gelang es, die eigene Furcht zu überwinden. Noch im Sitzen drehte er sich soweit um wie eben möglich.
Er sah die Gestalt, die die Kirche betreten hatte. Sie war noch zu weit entfernt, um sie genau erkennen zu können. Sie trug dunkle Kleidung, und das bleiche Gesicht schwebte wie ein heller Schatten über dem Boden.
»Cocard…?« Die zittrige und hell klingende Frauenstimme sprach ihn an. Dem Küster fiel ein großer Stein vom Herzen, denn er hatte die Stimme erkannt.
Langsam stand er auf und rückte dabei ein Stück zur Seite. »Du bist es, Marie?«
»Ja.« Sie war neben der Bank stehen geblieben und nickte zweimal »Ich bin es.«
»Setz dich.«
»Darf ich denn?«
»Sicher.«
Die Frau schob sich in die Bank. Sie hatte ein dunkles Tuch um ihren Kopf gebunden, sodass nur das Gesicht frei blieb.
Klein und schmal wirkte sie, als sie neben dem
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