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0803 - Meleniks Mordnacht

0803 - Meleniks Mordnacht

Titel: 0803 - Meleniks Mordnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Küster in der Bank saß. So sah eine Frau aus, die Furcht hatte, und Cocard legte seine Hand auf die der Frau. Er spürte die kalte Haut, und er hatte einfach den Drang, sie zu trösten. »Bitte, Marie, es wird alles wieder gut werden.«
    »Das hoffe ich«, flüsterte sie.
    »Warum bist du gekommen? Darf ich dich das fragen?«
    Sie atmete zunächst aus und nickte. Dann erst gab sie ihre Antwort. »Ich musste einfach kommen«, sagte sie. »Es… es war das Gefühl in mir, das mich hertrieb. Ich lag schon im Bett, konnte aber nicht schlafen, weil ich spürte, dass es eine besondere Nacht ist. Ich musste raus, weil ich mir in meiner Wohnung wie in einem Gefängnis vorkam.« Sie hob die Schultern. »Es ist sicherlich schwer zu begreifen, aber so und nicht anders hab ich eben gedacht.«
    »Ja, ich verstehe dich. Und dann?«
    »Ich bin gegangen. Allein. Mir ist kein Mensch begegnet. Als läge plötzlich über dieser Stadt ein Fluch, so kam es mir vor. Niemand sah mich, ich sah auch keinen, und ich hatte den Eindruck, durch einen sehr dichten Sumpf zu gehen.«
    »Warum zur Kirche?«
    »Das weiß ich nicht…«
    »Ein Drang?« Er ließ nicht locker und schaute die Frau von der Seite her an.
    Sie nickte. »Ja, so kann man es nennen. Es ist ein innerer Trieb gewesen.«
    Cocard stöhnte. »Wie bei mir«, sagte er. »Genau wie bei mir. Du kannst es dir nicht vorstellen.«
    Marie Avide schwieg zunächst. Sie musste ihre Gedanken sammeln. Dabei schaute sie sich um, und machte den Eindruck eines Touristen, der die Kirche zum erstenmal von innen sah, so fremd wirkte ihr Gesichtsausdruck. »Es ist komisch«, murmelte sie.
    »So habe ich dieses Gotteshaus noch nie empfunden.«
    »Wie meinst du das?«
    »So fremd… und …«, sie stockte.
    »Rede weiter.«
    »Gefährlich«, hauchte sie und schüttelte sich. »Richtig unheimlich und gefährlich.«
    Cocard beugte sich nach vorn und stöhnte leise auf. »Ich weiß es«, sagte er. »Verdammt noch mal, ich weiß es.« Er fluchte an diesem Ort. »Es ist etwas passiert, und es hat uns beide erwischt. Nur uns beide, Marie, glaube mir.«
    »Passiert?«, echote sie. »Was denn? Ich habe nichts gesehen, nur gefühlt, verstehst du?«
    Er strich über ihre Schulter. »Ja, ich kann dich gut verstehen, Marie Es ist alles klar. Ich bin…«, seine Stimme versagte »Himmel, warum fällt es mir denn so schwer, darüber zu reden?«
    »Worüber?«
    Cocard sah die feuchten Augen der Frau. Sehr dicht saßen die beiden Menschen zusammen. Ihre Körper berührten sich, als wollten sie sich gegenseitig schützen »Hast du es wirklich nicht gesehen, oder willst du darüber nicht reden?«
    »Bitte… worüber denn?«
    »Vor dem Eingang«, flüsterte er, »über dem Portal. Da ist es dann passiert.«
    Das Gesicht der Frau zeigte Zweifel. Es war so blass geworden, dass die Adern unter der dünnen Haut wie kleine, zitternde Wasserarme hervortraten. Ihre Hände strichen unruhig über die Oberschenkel. »Nein, da habe ich nichts gesehen«
    »Bon, du…«
    Sie ließ ihn nicht ausreden. »Was ist denn da gewesen? Jetzt hast du mich neugierig gemacht.«
    Der Küster musste sich erst räuspern, um klar sprechen zu können. »Da standen doch die Figuren, nicht wahr?«
    »Ja, die drei. Wieso standen?«
    »Warte, Marie, warte. Du hast mir erzählt, dass eine davon blutige Augen gehabt haben soll.«
    »Richtig.«
    »Kannst du dich noch daran erinnern, welche der drei Figuren es gewesen ist?«
    Marie Avide wunderte sich über die Frage, spürte aber, dass eine Antwort wichtig war und hakte deshalb nicht nach. »Ja, das kann ich. Ich muss mich nur noch einmal…«, murmelte sie und hob die Arme an. Mit dem rechten Zeigefinger tippte sie ins Leere, als wollte sie gewisse Gegenstände berühren oder sie noch einmal vor ihrem geistigen Auge nachzeichnen »Es hat ja gestürmt und geregnet. Wenn ich mich recht erinnere«, murmelte sie, »muss es die rechte gewesen sein.«
    »Gut. Welche rechte?«
    »Wie meinst du das?«
    »Die rechte, wenn man vor dem Portal steht?«
    »Ja.«
    Cocard lehnte sich zurück und stöhnte hörbar auf. »Ja«, sagte er mit leiser Stimme. »Genau das ist es. Du hast die Figur gesehen, Marie, die es nicht mehr gibt.«
    Die Frau brauchte Zeit, um mit dieser Antwort zurechtzukommen. »Wieso? Was meinst du damit?«
    »Sie ist verschwunden!«
    Ein Satz, drei Worte. Marie hatte ihn gehört. Sie glaubte, ins Leere zu fallen. Plötzlich spürte sie keinen Widerstand mehr. Die harte Kirchenbank war verschwunden.

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