0804 - Die Frau mit den Totenaugen
es, wenn jemand Fragen stellt. Wir sind es gewohnt, unsere Ruhe zu haben. Wir wollen keine Schnüffler in unserem Ort…«
»Ich bin Tourist.«
»Auch die wissen, wie sie sich zu benehmen haben«, erklärte er und drehte sich scharf um. Ich war für ihn out. Er konnte sich auf seine Warnungen verlassen, zumindest bei den meisten Fremden, in mir allerdings hatte er den Falschen gefunden. Die beiden jüngeren Männer, sie waren höchstens fünfundzwanzig, hatten sich nicht umgedreht. Sie starrten mich an.
Und ich blieb stehen.
Der junge Mann mit den etwas dunkleren Haaren sagte: »Er ist noch immer da, Dad!«
»Ach ja?«
»Sollen wir…«
»Eine Frage hätte ich noch, bitte.«
Das Bitte hatte dem Vater wohl einen Teil seiner Aggressivität genommen, denn relativ bedächtig drehte er sich um. »Was wollen Sie denn noch, Mister?«
»Eine Antwort. Hängt es damit zusammen, dass sich in diesem Haus letzte Nacht eine Gestalt gezeigt hat? Darf ich es mir deshalb nicht anschauen?«
Es war genau die Frage, die ihn schockte. Er wurde bleich, schaute nach rechts, erst zu dem einen Sohn, dann nach links zu dem anderen und schob die Unterlippe vor. »Ein Gesicht? Eine Gestalt?«
»Von einem Gesicht habe ich nicht gesprochen. Aber es gehörte dazu, es war rot mit toten, kalten Augen, die wie zwei unheimliche Laternen leuchteten.«
Der Mann holte tief Luft. Ich sah, wie er seine Hacken in den Boden stemmte. Er wirkte so, als wollte er mich anfallen, das aber überließ er seinen beiden Söhnen.
»Packt ihn euch!«
Darauf hatten die Kerle nur gewartet. Sie grinsten mich an, und dann taten sie etwas, das mir gar nicht gefiel, denn sie hoben gemeinsam ihre Werkzeuge, mit denen sie die Ritzen in den Strandkörben gereinigt hatten. Dafür waren sie geeignet, für einen menschlichen Körper weniger.
Ich blieb stehen, denn auch die beiden jungen Männer griffen noch nicht an. Der Ausdruck in ihren Gesichtern hatte sich verändert. Er zeigte eine gewisse Gnadenlosigkeit, die darauf hinwies, dass die beiden zu allem entschlossen waren. Ich wunderte mich, dass völlig normale Menschen sich derart verändern konnten.
Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, sie als Verbrecher einzustufen, nun aber sah ich sie beinahe als Todfeinde an. Ich hatte in ein Wespennest gestochen und die Tiere nervös gemacht. So verhielten sie sich auch.
Der Alte trat zurück.
Es war das Zeichen für seine beiden Söhne.
Gleichzeitig auch für mich. Ich wollte mich auf keinen langen Kampf einlassen. Kurz, knapp und sicher, denn wenn sie in die Mündung der Waffe schauten, würde ihre Wut bald verrauchen.
Ich irrte mich. Zudem hatte ich auch nicht mit der Raffinesse dieses eingespielten Teams gerechnet. Der rechte kam einen Schritt vor, der linke aber trat wuchtig in den Sand, und das musste er geübt haben, denn plötzlich jagte mir eine Ladung entgegen, zielsicher auf mein Gesicht gehalten.
Ich wollte noch zur Seite tauchen, es hatte keinen Sinn. Die Ladung erwischte mich voll. Unzählige Körner, vermischt mit kleinen Steinen, prallten gegen mein Gesicht. Ich bekam das Zeug in die Augen, die ich nicht rasch genug hatte schließen können, und wurde blind. Meine Waffe konnte ich vergessen.
Dafür musste ich voll den Tritt oder den Schlag einstecken, der mich in der Körpermitte erwischte und zurückschleuderte. Ich ruderte mit den Armen, dabei verlor ich den Halt und landete auf dem Boden, der zum Glück weich war.
Noch immer brannte der Sand in den Augen. Er hatte einen Schleier gebildet, in den die Tränen hineinrannen, und die Gestalt vor mir konnte ich nur als einen tanzenden Schatten sehen.
Irgendetwas fegte auf mich zu.
Wahrscheinlich war es diese verdammte Waffe. Sie befand sich noch in der Bewegung, als ich mich blitzartig zur Seite drehte und dabei das Glück hatte, über den Rand einer Mulde zu rollen, die mich aufnahm. Etwas hieb wuchtig in den Sand, ich hörte einen Fluch und rollte mich einfach weiter Es war gut, dass ich in die relativ tiefe Mulde geriet und so eine Galgenfrist herausschlug.
»Du Idiot!«, hörte ich den Alten schreien.
»Ich hol ihn mir, Dad!«
Es war der zweite Sohn, der gesprochen hatte. Im selben Augenblick kam ich zur Ruhe. Sofort kniete ich mich hin. Die Tränen hatten zwar etwas Sand aus den Augen gespült, aber nicht alles.
Schwach sah ich den Kerl, wie er schräg über den Rand der Mulde hinwegglitt und dicht neben mir zur Ruhe kommen musste.
Ich tat das Gleiche wie er. Mit der flachen Hand wühlte
Weitere Kostenlose Bücher