0805 - Flucht von Intermezzo
sagte er. „Das ist alles ein fürchterliches Mißverständnis!
Ich weiß nicht, wie ich hierhergekommen bin. Wahrscheinlich ist der Zeithammer daran schuld. Ich bin Jan Speideck. Sagt dir der Name etwas?"
„Du bist Antoninus, der Verräter!" donnerte Botho. „Die Römer nennen dich ihren Kaiser, den Philosophen und Marcus Aurelius. Gib dir weitere Namen, wie es dir beliebt. Der Rache entgehst du deswegen nicht!"
Der Römer wich vorsichtig zurück. Aber für jeden Schritt, den er rückwärts tat, tat Botho einen vorwärts.
„Ich glaube, dich hat der Zeithammer auch erwischt", murmelte der Römer verstört. „Marcus Aurelius?
Kommt mir bekannt vor. Wenn ich mich nur erinnern könnte ..."
„Steh!" fuhr Botho den Zurückweichenden zornig an. „Dein Verrat hat mich zwei Hundertschaften meiner erfahrensten Kämpfer gekostet. Du gabst vor, einen Vertrag mit uns schließen zu wollen, und locktest uns in eine heimtückische Falle. Das ist das Werk eines Neidings, und Neidinge sind des Todes!
Steh und wehr dich!"
Der Römer warf die Arme in die Höhe.
„Walik, hör doch...!'' rief er beschwörend.
„Steh! Nimm dein Schwert und deinen Schild und kämpfe mit mir!"
„Ich habe weder Schwert noch Schild!"
„Willst du wie ein Feigling sterben? Hier - nimm meinen Schild!"
Botho riß sich das ungefüge Ding von den Schultern und schleuderte es dem Römer entgegen. Der fing es mit einer Hand auf und betrachtete es mit unbeschreiblichem Gesichtsausdruck.
„Das ist kein Schild. Das ist ein Hocker!"
„"Beleidige meine Waffen nicht!" schrie Botho. „Nimm den Schild und wehr dich!
Sieh zu, was du gegen ein markomannisches Langschwert ausrichten kannst!"
Botho packte den Knauf des Schwertes und riß es aus der Scheide.
„Walik - laß den Blaster in Ruhe!" rief der Römer entsetzt.
Botho achtete des Rufes nicht und drang auf den Gegner ein.
Der Römer ergriff den Schild. Die Art, wie er ihn gebrauchte, brachte den Markomannen aus dem Konzept. Der Schild war eine Waffe der Verteidigung. Der Römer aber schwang ihn wie eine Angriffswaffe. Botho mußte den wütenden Schlägen ausweichen. Das Langschwert, das ihm in vielen Schlachten so treue Dienste erwiesen hatte, reichte plötzlich nicht mehr aus, um den Feind zu erreichen.
Mit voller Wucht sauste der Schild herab. Botho, verwirrt und unsicher, versuchte, dem Schlag auszuweichen.
Dabei übersah er ein kleines Felsstück, das ihm im Weg lag.
Er stolperte. Der Schlag traf ihn mitten im Sturz.
Im nächsten Augenblick hatte er das Bewußtsein verloren.
Mit dröhnendem Schädel kam Walik Kauk wieder zu sich.
Er richtete sich auf und sah sich um. Aus der Ferne hörte er ein mächtiges Rauschen wie von einem großen Wasserfall. Vor ihm erstreckte sich ein weites Tal, das zu beiden Seiten von steil aufragenden Felswänden begrenzt war.
Auf dem Boden des Tales wuchsen Gras und Büsche. Unmittelbar hinter Walik stieg eine zerklüftete Felsfläche in die Höhe.
Ein paar Schritte vor ihm lag ein Hocker im Gras. Er erinnerte sich, den Hocker selbst verfertigt zu haben. Er hatte ihn Marboo geschenkt.
Walik griff sich an den Kopf. Hinten, über der Schläfe, hatte er eine kräftige Beule. Die Haut war aufgeplatzt Blut hatte sich im Haar verkrustet. Was war geschehen? Wie war er hierhergekommen? Wo war er überhaupt?! Der Himmel war eine bleierne Wolkenmasse, mit schwefligem Gelb durchsetzt. Es war schwül geworden.
Aus der Ferne grollte Donner. Walik stand auf. Dabei flatterte ein Stück Schreibfolie zu Boden. Walik hob es auf und las erstaunt die ungelenken Schriftzüge: „Walik - der Zeithammer hat dich erwischt. Tut mir leid, daß mein Schlag dich am Kopf getroffen hat.
Wenn du zu dir kommst, bleib an Ort und Stelle. Wir kommen dich holen. Ich habe mir deinen Blaster ausgeborgt. Jan Speideck."
Walik stieß ein ärgerliches Lachen aus und warf das Stück Folie von sich. Der verdammte Zeithammer! Er hatte keinerlei Erinnerung an die vergangenen Stunden. Er wußte, daß er um die übliche Zeit zu Bett gegangen war, zwei Stunden vor Mitternacht. Jetzt war es Nachmittag, wie der Chronograph an seinem Handgelenk auswies. Das mußte eine Art Rekord sein. Noch nie hatte die Wirkung des Zeithammers so lange angedauert.
Jan Speideck hätte schlauer sein und eine Zeitangabe auf den Zettel schreiben können, dachte er sich.
Er wußte nicht, wie weit es von hier bis zur Siedlung war. Wie lange hatte er bewußtlos gelegen? Wie lange würde er warten müssen, bis sie
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