0806 - Der Voodoo-Club
stützte er auf die Schreibtischplatte. Als er die Handflächen gegen die Wangen preßte, da wurden sie noch nasser.
Was war nur in Roberta gefahren? So wie heute hatte er sie noch nie erlebt. Sie war eine… sie war … eine völlig andere Person geworden. Eine Fremde, nicht mehr seine Tochter.
In der Flasche befand sich noch ein Rest Bier. Tabletten steckten in der Hemdtasche. Der Mann holte die schmale Schachtel hervor. Er ließ eine kleine Kugel in seine Handfläche rollen, schluckte sie und spülte mit dem inzwischen lauwarm gewordenen Bier nach. Besser ging es ihm nicht, aber das würde sich ändern. Er mußte sich nur ruhig hinsetzen, was er auch tat. Die Beine hatte er ausgestreckt, er zwang sich zur Ruhe, nur fiel ihm das besonders schwer, denn das Gespräch mit seiner Tochter wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf.
Es war zudem etwas eingetreten, das er sich nicht hatte träumen lassen. Carlos Miller hatte Angst vor seiner eigenen Tochter! Sie war für ihn in den letzten Minuten zu einer fremden Person geworden, und in ihm hämmerte ein schrecklicher Verdacht hoch.
»Nein«, flüsterte er, »nein, das kann nicht wahr sein. Das… das will ich nicht akzeptieren.« Er trank den letzten Rest Bier, und er spürte auch, wie er ruhiger wurde. Sein Herzschlag hatte sich wieder normalisiert, nur sah er selbst aus, als würde er auseinanderlaufen. Wie Bachwasser lief der Schweiß über seinen gesamten Körper.
Selbst die Haare glänzten, als hätte er sie mit Öl eingerieben. Auch der Druck hinter der Stirn war noch nicht gewichen, er zitterte, kriegte kaum Luft, aber die Gedankengänge konnte er bereits in die richtigen Kanäle lenken.
Roberta hatte sehr gut Bescheid gewußt. Zu gut, wie er fand. Dan Gabor war gestorben, okay, das hatte sie ja gewußt, aber sie schien auch mehr über seinen Tod zu wissen. Roberta war informiert gewesen. Wenn das alles so stimmte, stellte sich zwangsläufig die Frage, durch wen sie informiert gewesen war.
Hatte sie mitgemischt?
Als er daran dachte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Roberta und die Mörder. Roberta und Voodoo – eine Vorstellung, über die er sich kaum im Klaren werden konnte, die er auch nicht akzeptieren wollte. Das konnte nicht sein…
Das Telefon lockte ihn. Nur den Hörer abnehmen, im Hotel anrufen und den beiden Engländern sagen, daß sie verschwinden sollten.
Es war alles ganz einfach.
Warum tat er es dann nicht? Was hielt ihn davon ab? Warum überlegte er denn noch?
Miller wußte es selbst nicht. Vielleicht deshalb, weil er tief in seinem Innern ein Kämpfer war. Ja, er war ein Mann, der sich nicht aufgab, auch wenn es nicht so aussah. Er hatte sich bisher immer durchgeboxt und würde es auch jetzt so halten. Gabor war kein Freund gewesen, aber die beiden hatten gut zusammengearbeitet, und er war zu Miller auch immer fair gewesen, hatte nie versucht, ihn über das Ohr zu hauen. Seine Zahlungen waren pünktlich erfolgt. Miller war nicht eben ein Mensch, den man als Ehrenmann bezeichnen konnte, doch er hatte auch seinen Stolz. Krumme Geschäfte hin, krumme Geschäfte her, er mochte es nicht, wenn Menschen dabei getötet wurden. Und besonders nicht auf eine derartig schreckliche Art und Weise wie Dan Gabor.
Carlos wußte nicht, wer die beiden Männer genau waren. Er wollte es auch nicht wissen, aber er hatte erkannt, daß sie Power hatten.
Das waren keine Typen, die die Flinte so leicht ins Korn warfen, die würden sich in diesen Fall hineinstürzen. Er war es Dan Gabor einfach schuldig, daß sein Tod aufgeklärt wurde.
Obwohl niemand in der Nähe war, schüttelte er den Kopf. Er sprach sogar. »Nein, meine liebe Tochter, ich werde sie nicht anrufen. Sie sollen weitermachen, und wenn sie in das Voodoo-Nest hineinstechen, sollen sie es auch ausheben…«
Er wußte selbst, daß dies ein Wunschtraum war – aber man konnte ja nicht wissen. Hin und wieder geschehen doch Zeichen und Wunder.
Wir waren vom Hof gefahren und hatten die beiden vorderen Fenster geöffnet. Die Scheiben waren ganz nach unten gedreht worden. In diesem Fahrzeug hatten wir es einfach nicht aushalten können. Es war zu einem Backofen geworden.
Die Hitze machte uns zu schaffen. Der Schweiß strömte, alles klebte irgendwo fest, und von außen her drang die schlechte Luft in das Fahrzeug. Sie brachte den Staub mit, der auf unseren verschwitzten Gesichtern sofort kleben blieb. Jenseits des Grundstücks hielt ich das Fahrzeug an.
Suko schaute nur, stellte jedoch keine
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