0806 - Die Hexe von Köln
zufrieden. Geben Sie sich einen Ruck. Sie wissen doch, eine Hand wäscht die andere, und meine Informationen haben Ihnen auch schon ein paar Mal geholfen. Erinnern Sie sich nur an Frank Goldblum, den ersten Fall, den wir gemeinsam gelöst haben.«
»Gemeinsam gelöst? Das schlägt dem Fass den Boden aus!« Der KHK schaute sich kurz um, dann zeigte er ein schwaches Nicken. »Also gut. Ich will meine Nerven schonen. Die offizielle Pressekonferenz warten Sie ja doch nicht ab. Na schön, aber dafür habe ich was gut bei Ihnen.«
Über diese Art von Vetternwirtschaft hatte Nicole in einem Reiseführer gelesen. In der Domstadt war sie auf geradezu perfide Art perfektioniert worden. Es gab sogar Lieder darüber. Kölscher Klüngel wurde sie genannt. Anscheinend war tatsächlich was daran.
»Was wissen Sie bisher, Peffgen?«, wollte Wagenbach wissen.
»Es soll wieder die Geistermörderin gewesen sein«, erklärte der Kommissar.
»Nichts anderes habe ich erwartet.«
»Aber diesmal haben wir eine Personenbeschreibung, die sich mit der vom letzten Mal deckt. Eigentlich scheint der Zeuge ziemlich glaubhaft, aber…«
»Was?«
»Er behauptet, das Opfer habe sich wie von Geisterhand in die Luft erhoben und sei gegen die Wand geschleudert worden.«
»Vermutlich trug der Mann ein Superheldencape und Fledermausohren. Und diese angebliche Geistermörderin war…«
»Irgendwann lasse ich Sie verhaften und auf Drogen untersuchen«, fuhr ihm Peffgen in die Parade. »Denn anders kann ich mir Ihren skurrilen Humor nicht erklären.«
»Meine einzigen Drogen sind Kölsch und Rock’n’Roll.« Wagenbach grinste und legte den Kopf in den Nacken. Schlagartig wurde er wieder ernst. »Deshalb die Leitern. Sie haben die Stelle also untersucht. Lassen Sie mich raten.«
»Nicht nötig.« Peffgens Miene verdüsterte sich. »Ich habe keine Erklärung, aber dort oben finden sich tatsächlich Blutspuren. Ich bin sicher, sie stammen von dem Toten.«
Nicole sog die Luft ein. Plötzlich hatte sie es eilig, allerdings nicht mehr, vom Tatort wegzukommen. Sie hatte ein untrügliches Gefühl, es nicht mit einem banalen Verbrechen zu tun zu haben.
Die Hinweise waren zu deutlich, um an ein gewöhnliches Verbrechen glauben zu können. Hinter dieser Sache steckte mehr, als es auf dem ersten Blick schien.
Sie zog ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer der Hotelsuite, in der Zamorra auf sie wartete. Zu ihrer Überraschung meldete er sich nicht, also versuchte sie ihn über sein Handy zu erreichen.
Endlich nahm er den Anruf entgegen, aber da war er längst nicht mehr im Hotel.
***
Einige Wochen zuvor II.
Der Klang eines Nebelhorns drang vom Fluss herauf.
Samira erhob sich vom Bett, das neben einem Regal die einzige Einrichtung im Raum darstellte. Außerdem war da noch das in einer Ecke angebrachten Waschbecken in dem schäbigen Zimmer.
Die schlanke braunhaarige Frau ging zum Fenster und erschauderte unwillkürlich. Draußen sah es nicht gemütlicher aus als hier drinnen. Grau und wolkenverhangen war der Himmel, grau waren die Fassaden, und grau wirkten selbst die Menschen, die mit hoch gezogenen Schultern durch die Straßen hasteten, ihre Schirme wie Schutzschilde gegen sämtliches Unbill der Welt erhoben.
Irgendwie schien die ganze Welt grau zu sein. So grau wie Samiras Gemütszustand.
Das kleine Hotel lag versteckt in einer Seitenstraße an der Rückseite des Hauptbahnhofs. Vom Fenster aus war das graue Band des Rheins zu sehen, auf dem ein schwer beladener, tief im Wasser liegender Lastkahn gegen die Strömung ankämpfte.
Wie graue Schemen wirkten die Züge auf der Hohenzollernbrücke, einem mächtigen schwarzen Ungetüm, dessen stählerne Bögen in dem tristen Wetter abgenagten Skeletten glichen.
Schon den ganzen Tag schüttete es wie aus Eimern, und es sah nicht so aus, als ob sich das bald ändern würde. Es war der reinste Weltuntergang. So ähnlich musste es Noah am Bord seiner Arche erlebt haben.
Samiras Verzweiflung vermehrte sich mit jedem Regentropfen, der aus dem schweren Kölner Himmel fiel und auf dem Asphalt der Straße zerplatzte. Es geschah milliardenfach, so wie in dieser Stadt stündlich Träume zerplatzten.
Sie konnte nicht länger warten, trotz des Wetters. Wenn sie heute noch einen Kunden abbekommen wollte, musste sie das angemietete Zimmer verlassen und hinaus.
Jeder Job hatte seine Gesetzmäßigkeiten, auch dieser. Die Kunden kamen nicht von allein, auch wenn Freddie das etwas anders sah.
Bei dem
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