0807 - Das Gespenst von Angus Castle
Boden liegen.«
»Dann mußt du ihn suchen, John!«
»Später. Zuerst werden wir drei diesen ungastlichen Ort verlassen. Hier haben wir nichts zu suchen, glaubt es mir.«
Dagegen hatten sie nichts einzuwenden. So stiegen wir die Treppe wieder hoch, und ich machte den Anfang. Meine Mutter hatte mit ihrer Bemerkung recht gehabt. Auch ich wußte nicht hundertprozentig, was mit diesem Lord geschehen war. Er hatte durchaus in den Bann des Kreuzes hineingeraten können, doch gesehen hatte ich nichts.
Niemand hielt uns auf, und so erreichten wir unangefochten die leere und nach altem Moder riechende Schlosshalle. Wir sahen die Tür vor uns und auch die blassen Fenster, durch die scheinbar träge das Tageslicht kroch. Nur – den Lord konnten wir nicht entdecken, was meinem Vater überhaupt nicht paßte, denn er schüttelte den Kopf.
»Wo kann er nur stecken?«
»Ich werde ihn finden, Dad!«
»Hoffentlich. So ganz kann ich es nicht glauben. Er ist verflucht schlau, Junge.«
»Das kann sein.«
Ich war bereits an der Tür und zog sie auf. Somit konnte ich meinen Eltern den Weg freimachen, die hinter mir herkamen und in der Tür erschienen, als ich bereits auf der Außentreppe stand. Die oberste Stufe hatte ich überwunden, stand auf der zweitletzten, drehte den Kopf und sah in das Gesicht meiner Mutter.
Es hatte sich verändert.
Zuerst dachte ich, daß es einen wilden Schrecken zeigte, dann aber stellte ich fest, daß es das blanke Erstaunen war. Sie war im Begriff, den linken Arm zu heben und nach vorn zu deuten. Dabei tropften die Worte über ihre Lippen.
»Da… da … ist er ja …« Mein Vater und ich schauten hin. Und wir sahen zugleich Lord Lyell, der sich auf dem Burghof aufhielt und um seine Existenz kämpfte …
Er war in den magischen Kreis meines Kreuzes hineingetreten, sonst hätte er sich nicht so anders benommen. Er war nicht mehr so, wie wir ihn kannten, denn er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Er wankte, er ging in die Knie, er kam wieder hoch, aber seine Kräfte verließen ihn.
Wir sahen, daß er dabei war, sich aufzulösen. Er wurde so durchscheinend wie seine Lady, nur strahlte er nicht so hell. In seinem Innern wechselten sich die Arten der Materie ab.
Einmal fest, zum anderen durchscheinend. Ein langes Wechselspiel, in dem es irgendwann mal einen Verlierer geben mußte.
Und er wurde schwächer.
Die feste Form kehrte nicht mehr so zurück, wie ich es von ihm gewohnt war. Ich hielt es nicht mehr auf der Treppe aus und bat meine Eltern, auf mich zu warten.
Rasch lief ich die Stufen hinab, blieb im Hof stehen und schaute mir den Lord an.
Aus nächster Nähe konnte ich ihn sehen. Er war zu einem sich ständig wechselnden Wirrwarr geworden. Fest, durchscheinend, wieder fest und so weiter.
Und plötzlich war nur mehr der Kopf da.
Er schwebte nicht über dem Boden, obwohl es zunächst so aussah.
Er war nur noch eine geisterhafte Verbindung.
Mich interessiert der Kopf.
Das Maul stand offen. In der Tat war der Mund zu einem Maul geworden, und in diese Öffnung hinein rammte ich das Kreuz. Kurz zuvor hatte ich noch in die hellen Augen schauen können und die Panik darin erkannt. Ein irres Gefühl der Angst mußte ihn gepackt haben. Seine Augen hatten dabei wie weit entrückte Gläser gewirkt, die nicht mehr in die normale Welt schauten, sondern in eine andere.
Das Kreuz wirkte.
Der Kopf verschwand.
Ich hörte keine Explosion, es zischte auch nichts, er wurde völlig lautlos zerstört. Nur ein widerlicher Geruch blieb zurück. Schwefelgas, das war alles.
Lord und Lady Lyell hatten ihre Rache an den Sinclairs nicht vollenden können!
Leider waren schon zu viele gestorben. Um diesen Fall und um Gilda McDuff würde ich mich zusammen mit meinen Kollegen kümmern.
Wichtiger waren jetzt meine Eltern.
Wir standen im Hof vor dem alten Schloß, umarmten uns, wobei meine Mutter sagte, daß sie sich wie neu geboren fühlte.
Meinem Vater und mir erging es ähnlich.
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Nr. 609 »Tiefsee-Mystik«
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