0809 - Das Schlangenkreuz
hatte.
Sein Gedächtnis hatte nicht gelitten. Sehr schnell erinnerte er sich an den Glatzkopf, der ihn niedergeschlagen hatte, und er spürte auch den Schmerz an Hals und Kehle, der sich dort festgebissen hatte. Die Arme konnte er nicht anheben, denn sie waren ihm mit Stricken auf dem Rücken zusammengebunden worden.
Er wusste nur nicht, wo er sich befand.
Die Dunkelheit umgab ihn wie pechschwarze Watte. Sie drückte nicht nur auf seinen Körper, sie legte sich auch über sein Gemüt, aber er riss sich zusammen, denn Depressionen wollte er nicht erst aufkommen lassen.
Da er nichts erkennen konnte, konzentrierte sich Suko auf die ihn umgebenden Gerüche.
Sie waren anders, sie waren fremd, und zunächst stellte er fest, dass er nicht mehr im Freien lag, denn da hätte es anders gerochen.
Man hatte ihn in einen stickigen, sehr dumpfen Raum gepackt.
Wahrscheinlich in ein Verlies, in das nicht einmal der kleinste Lichtschimmer hineindringen konnte.
Lag er allein?
Bisher hatte er die Nähe eines Menschen nicht gespürt. Keine Schritte gehört, kein Keuchen, keine gefährlichen Laute, es war alles so still geblieben.
Suko wusste, dass er oder dass sie kommen würden. Sie hatten ihn nicht grundlos niedergeschlagen. Sie hassten die Menschen, und sie hassten besonders diejenigen, die ihnen auf der Spur waren und ihnen auch gefährlich werden konnten.
Seine Bauchlage passte ihm nicht. Die Arme waren verdreht, führten aber hinter dem Rücken zusammen und waren dort gefesselt. Er hatte schon beim Erwachen versucht, die Hände zu bewegen, das war ihm nicht gelungen. Zwar konnte er die Handgelenke gegeneinander reiben, doch die Finger blieben steif. Mit ihnen kam er nicht an die Fesseln heran.
Das Dunkel blieb, die Stille ebenfalls.
Dennoch glaubte Suko daran, dass erso mutterseelenallein nicht lag. Es gab etwas in seiner Umgebung, das sich noch versteckt hielt und erst später hervorkriechen würde.
Zudem hörte er auch etwas.
Das Geräusch war ihm zuvor kaum aufgefallen, weil es seinen Ursprung in weiter Ferne gehabt hatte. Aber es hörte nicht auf, und Suko sah sich gezwungen, sich näher damit zu beschäftigen, und deshalb konzentrierte er sich auch darauf.
Ein dumpfes Schlagen, ein Pochen…
Weit weg, aber hörbar.
So hörbar wie die schlurfenden Schritte, die sich ihm näherten. Dazwischen hörte er ein heftiges Grunzen oder Keuchen, als wäre das Wesen, das sich ihm näherte, ein Tier oder irgendeine Abart davon, aber kein Mensch.
Suko blieb bewegungslos liegen. Er wollte sich nicht provozieren oder erkennen lassen, dass er bereits aus der Bewusstlosigkeit erwacht war. Suko wollte warten, bis der oder das andere ihn erreicht hatte, und er wollte wissen, wie es weiterging.
Er kam.
Dann war er da.
Suko hörte ein Rascheln und auch ein leises Knacken, das entstanden sein könnte, weil der andere sich gebückt hatte. Es war in seiner unmittelbaren Nähe, er konnte es riechen, und er wusste noch immer nicht, um wen es sich dabei handelte.
Er tippte auf den Glatzkopf, aber das war nicht sicher.
Und dann schrak er zusammen, als eine Hand ihn berührte. Sie lag auf seinem rechten Oberschenkel, die Finger hatten sich gekrümmt und in das Fleisch hineingegraben.
»Na…«
Er konnte sprechen, es war ein Mensch. Suko wurde dies bewusst, doch es fiel ihm dabei kein Stein vom Herzen.
War es nicht die Stimme des Glatzkopfs gewesen?
»Wer bist du?«
Die Hand löste sich von seinem Oberschenkel. Suko nahm an, dass sie über ihm schwebte, doch er konzentrierte sich dabei auf die Antwort. »Ich bin dein Henker, dein Töter…«
Er schwieg.
Der andere kicherte. Er musste dicht neben Suko kauern, denn der Inspektor hörte am Rascheln der Kleidung, wie sich der Kerl in der Finsternis, bewegte. Als er das Schnicken hörte, Funken sah und die Flamme entdeckte, war ihm klar, dass der Kerl ein Feuerzeug angezündet hatte. Da Suko auf dem Bauch lag, konnte er den Mann trotz der Lichtinsel nicht erkennen. Das Licht blieb, es brannte ruhig an seiner rechten Seite, und Suko drehte den Kopf.
Er sah tatsächlich die Flamme, die auf dem Docht einer Kerze tanzte, und neben ihr die Gestalt und den Schatten eines Mannes, der die Kerze festhielt, sich dabei geduckt bewegte und seine wertvolle Last vorsichtig trug.
Es war ein Schemel mit vier schrägen Beinen, auf dem die Kerze stand. Auch der Mann geriet in den Kerzenschein. Seine Glatze schimmerte leicht rötlich, und das Licht ließ das Gesicht aussehen wie eine böse
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