081 - Die geraubte Mumie
ins Haus geführt. In ihrem Verlies standen inzwischen zwei Kübel für menschliche Bedürfnisse. Dreimal am Tag erhielten sie annehmbares Essen und mit Wasser verdünnten Wein, von den verseuchten Sklaven des Dämons überbracht. Außerdem bekamen sie jeden Tag einen Eimer mit Wasser zum Waschen.
Trotzdem wirkten sie ein wenig verlottert und mitgenommen, als die Verseuchten sie in den Speiseraum führten. Cro Magnon hatte die Gefangenschaft noch am besten überstanden.
Coco und Jeff Parker sahen, daß sie sich in einem alten Kastell befanden. Sie wurden eine Steintreppe hoch und durch einen Wandelgang geführt. Auf allem lag eine dicke Staubschicht, alles wirkte ungepflegt. Aber die bunten Bleiglasscheiben in den hohen Bogenfenstern waren unzerbrochen, wenn sie auch vor Schmutz starrten.
Ein Dutzend der abscheulichsten seuchenzerfressenen Dämonendiener eskortierte die drei. Eine Tür wurde geöffnet. Sie führte in einen nicht allzu großen Speisesaal mit fleckiger Eichenholztäfelung. Der lange Tisch war an einem Ende für vier Personen gedeckt.
„Ein Gastmahl also", sagte Jeff Parker, der mannhaft sein Entsetzen über die greulichen Schreckensgestalten verbarg; bei der Gefangennahme hatte er sie nicht bewußt gesehen. „Hoffentlich keine Henkersmahlzeit."
An den Wänden des kleinen Speisesaales hingen alte, verrottete Gobelins. Im Kamin des hohen Raumes prasselte ein Feuer. Auch hier lag überall Staub, war alles vernachlässigt.
Die Tafel, die kein Tischtuch bedeckte, und das Geschirr waren sauber.
„Setzt euch! Der Herr wird gleich kommen", sagte der gräßliche Anführer der Verseuchten mit hohler, knarrender Stimme.
Er war die fürchterlichste Erscheinung. Coco hatte ihn schon bei der Ankunft gesehen. Sein Herz lag frei und schlug sichtbar hinter den bleichen Rippen. Sein Zustand hatte sich noch verschlimmert. Seine Nase war von der Lepra weggefressen, und vom linken Auge sah man nur noch das Weiße. Er war in der letzten Zeit öfter bei den Gefangenen gewesen. Coco hatte ihm mit Galgenhumor den Namen Don Juan gegeben.
Don Juan stellte sich nun an der Tür auf, während die anderen Verseuchten draußen warteten.
Coco, Jeff Parker und der Steinzeitmann setzten sich an die Tafel, Coco und Jeff auf die eine Seite, Cro Magnon auf die andere. Der Platz an der Stirnseite blieb frei.
Der Cro Magnon hatte sich in den letzten Tagen manierlich und lammfromm benommen. Natürlich nur, weil er unter dem Einfluß des Dämons stand.
„Jetzt fehlt nur noch unser Gastgeber", sagte Jeff Parker. „Ich brenne darauf, ihn kennenzulernen." Coco winkte ab.
„Was ist?" fragte Jeff. „Hast du Angst vor ihm?"
„Allerdings. Mehr Angst als vor allen anderen Dämonen, die ich kenne. Aber im Notfall vermag ich meine Angst zu überwinden."
Letzteres hatte sie leise geflüstert.
Cro Magnon sagte in grollendem Ton etwas, was sich wie „Krrorak" anhörte.
Dann wurde die Tür geöffnet, und ein hochgewachsener, schlanker alter Mann trat ein. Er trug schwarze Kleidung und einen schwarzen Umhang. Sein Gesicht war asketisch und so ausgezehrt, daß es knöchern wirkte. Er hatte dicht am Schädel anliegendes, weißes Haar. Seine Haut, von vielen Falten und Runzeln durchzogen, war lederartig und die Mundwinkel des strichdünnen Mundes zynisch herabgezogen. Er verbarg seine Augen hinter einer dunklen Brille, die an den Seiten geschlossen war. Seine Hände wirkten wie Klauen.
Er strahlte dämonische Bosheit und abgrundtiefen Zynismus aus.
Jetzt wandte er sich an die drei am Tisch und sagte mit knarrender Stimme: „Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle? Ich bin Gevatter Tod, der Seuchendämon, auch der Alte des Schreckens genannt.
Ich bin recht prominent, denn schon in der Apokalypse wird von mir berichtet. Früher hatte ich auch noch ein paar Brüder, die Heuschrecken vom Himmel regnen ließen, die Ernte vernichteten, Brunnen vergifteten und manchmal veranlaßten, daß Pech, Glut und Schwefel auf die Erde niederhagelten. Aber die meisten von ihnen sind inzwischen tot."
„Gevatter Tod hatte im Mittelalter seine große Zeit", sagte Coco zu Jeff Parker. „Er zog mit der Pest und anderen Seuchen einher und säte sie aus seinen furchtbaren leeren Augenhöhlen. In der Schwarzen Familie wird sein Name nur flüsternd erwähnt."
„Ja, wir waren damals nicht solche Weichlinge wie viele Dämonen heutzutage. Aber ich gebe zu, daß ich im Mittelalter manchmal über die Stränge geschlagen habe. Nun ja, es waren meine wilden
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