081 - Lady Frankenstein
wollen,
wie wir uns verhalten, wenn uns so ein Kiesel vor die Füße rollt.“ Das war
typisch Kunaritschew! Daß es erst drei Minuten zurücklag, wo es um Leben und
Tod ging, schien er schon wieder vergessen zu haben.
Sie setzten
ihren Weg fort, schweigend, nachdenklich. Mit jedem Meter, den sie hinter sich
ließen, wurde die Stimmung wieder frisch, heiter und. aufgemuntert.
Larry und
Iwan achteten von nun an peinlich genau auf die Umgebung. In X-RAY-3 war ein
Gefühl des Unwohlseins zurückgeblieben.
Aber er
konnte sich nicht vorstellen, daß das, was hier vorgefallen war, auf etwas
anderes als auf einen Unfall zurückzuführen sein könnte.
Sein
Mißtrauen versiegte.
Der Weg, den
sie gingen, stimmte genau mit dem überein, den Gomez ihnen auf der Karte
angegeben hatte.
Bei
Wanderungen durch die Berge mußte man damit rechnen, daß naturgegebene
Situationen wie Steinschlag auftraten. Gomez hatte wahrscheinlich jedoch
ebensowenig damit gerechnet wie sie, die sie von dem Geschehen überrascht
worden waren.
Nach zehn
Minuten erreichten die beiden Freunde die Stelle, wo der Pfad zu steigen
aufhörte. Ein Plateau, ideal zwischen Felsen und kleinen Baumgruppen gelegen,
breitete sich vor ihnen aus. Sobald eine Erdschicht vorhanden war, gedieh hier
die Flora.
Gomez’ Hütte
stand zwischen verkrüppelten Pinien, die ihre schirmartigen Kronen flach in den
blauen Himmel reckten.
„Vielleicht
schläft er noch?“ sagte der Russe leise, als sie sich heimlich näherten.
Geduckt wie die Indianer schlichen sie heran und benahmen sich wie zwei große
Jungen.
„Jetzt
erschrecken wir ihn mal“, fuhr Kunaritschew fort und grinste. Seine Lippen wurden
von dem feuerroten, struppigen Vollbart fast verdeckt.
Sie standen
neben der Eingangstür. Völlige Stille herrschte.
„Auf ein
Wort, Towarischtsch“, begann der Russe leise und sah Larry groß an. „Wie sagt
man auf spanisch ,Guten Tag’? Buenos dias oder Buenos Tardes ?“
„Das kommt
darauf an, ob es schon nach oder noch vor zwölf Uhr ist“, entgegnete Larry
Brent ebenso leise. „Buenos Dias sagt man vor zwölf.
„ Choroschow . Dann stürmen wir in die gute Stube und brüllen
aus Leibeskräften Buenos dias !“
Gesagt, getan.
Kunaritschew nahm die Klinke in die Hand und verzog das Gesicht, als wollte er
sagen: Hoffentlich ist die Tür nicht verschlossen, sonst stehen wir beide
mitten im Rahmen, und drückte fest dagegen.
Die Tür flog
nach innen.
„Buenos dias , Alf.. Die dröhnende Stimme hallte durch die dämmrige
Hütte, doch Kunaritschew unterbrach sich wie vom Blitz getroffen.
Der Russe
trat einen Schritt zur Seite und ließ Larry Brent herein.
Die Gesichter
der beiden Männer wurden zu Stein.
Vor ihnen am
Boden lag Alfonso Gomez. Tot! Das sah man auf den ersten Blick. Sein Körper war
nur noch ein Torso.
Die Arme
fehlten.
●
Es begann für
die beiden Freunde eine Routinearbeit, die sie fast schweigend verrichteten.
Leichenstarre
war bereits eingetreten. Gomez war seit mindestens zwölf Stunden tot! Das
bedeutete, daß die Körpertemperatur schon jenen kritischen Punkt überschritten
hatte, wodurch das automatische Signal im PSA-Ring ausgelöst wurde.
Das würde
auch der Fall sein, wenn der unbekannte, grausame Täter die beiden Arme mitgenommen
haben sollte. Aus welchem Grund auch immer.
Larry
wunderte sich, als er über die Miniatursendeanlage und über den PSA-eigenen
Satelliten von X-RAY-1 persönlich erfuhr, daß dieses Signal von der Funkstation
noch nicht registriert werden war.
Nur selten
kam es vor, daß ein Signal versagte.
War es hier
der Fall?
Die Behörde
in Jaca wurde informiert. Von dort aus machten sich
zwei Beamte und ein Leichenbestatter auf den Weg. Auf einem
mitgeführten Muli wurde ein Sarg zu der abgelegenen Hütte gebracht.
Gomez wurde
eingesargt. Viele Fragen wurden nicht gestellt. Auf höchste Anweisung hin
sollte der ehemalige Agent nur abgeholt und seine Leiche obduziert werden. Das
Ergebnis würde von der betreffenden Stelle aus direkt der PSA mitgeteilt
werden, und von dort aus sollten Larry und Iwan weitere Nachricht erhalten.
Für eine
halbe Stunde lang herrschte so etwas wie Betrieb in der kleinen Hütte, wo die
fünf Menschen hantierten. Erst nach dem Abzug der Beamten und des Bestatters
kehrte wieder Ruhe ein, und mit einem Mal schien es so, als wäre überhaupt
nichts gewesen.
Larry und
Iwan sahen den Davonziehenden nach, wie sie um die Pfadbiegung verschwanden.
„Komische
Geschichte“,
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