081 - Schatten der Vergangenheit
Es war nicht leicht - Namuuki kläffte wie verrückt, Maddrax war aus scheinbar weiter Ferne zu hören. Und etwas tastete nach ihrem Verstand. Etwas Fremdes.
Etwas Böses!
Die erfahrene Telepathin streckte ihre Fühler aus - immer weiter und tiefer hinein in die licht- und körperlose Welt der Gedanken. Auch jetzt noch drang Namuukis Kläffen zu ihr vor, und plötzlich machte Aruula eine erstaunliche Entdeckung: In dem fordernden Gebell des Hundes schwang eine Stimme mit - fremd und nicht menschlich!
Es waren keine Worte, die der Barbarin hasserfüllt entgegen geschleudert wurden. Nur harsche, dunkle Laute.
Dennoch war die Aufforderung unmissverständlich: Aruula sollte sich zurückzuziehen.
Das tat sie auch - allerdings nicht aus Gehorsam, sondern um die eigenen Gedanken abzuschirmen.
Tiere denken nicht wie wir! , überlegte Aruula und spürte, wie sich dabei ihr Herzschlag beschleunigte. Es ist unmöglich, dass ein Hund mein Lauschen
spürt und auch noch begreift, was mit ihm geschieht. Also kann Namuuki kein Hund sein! Aber was ist sie dann?
Gezielt begann sie ein weiteres Mal zu lauschen , und fast augenblicklich hatte sie Kontakt: Aus dem Nichts tauchten Bilder vor Aruulas geschlossenen Lidern auf. Seltsame Bilder, die keinen Sinn ergaben und Angst auslösten.
Ellik und Shem, die Hand in Hand auf sie zu spazierten und dabei langsam zerflossen. Ein älteres Ehepaar, das in einer Flutwelle versank. Mönche vor dem Tempel der Winterseelen. Ein Windstoß schlug ihre Kapuzen zurück und legte verdorrte Schädel frei. Ein Gräberfeld. Viele tote Kinder. Blaue Blumen.
Die Bilder blitzten immer schneller auf, wie ein Kaleidoskop des Todes.
Aruula sah einen Ring aus muschelähnlichen Kalkgebilden, der sich um das Hochplateau zog und bewohnt war von Wesen, kaum größer als eine Faust.
Weißen Wesen. Sie waren die rechtmäßigen Herren des Berges - und sie duldeten keinen Eindringling.
Ohne je danach geforscht zu haben, entdeckte Aruula das Geheimnis des Klosters. Es wurde nicht von Untoten bewohnt. Wer immer dort gelebt hatte, war diesen fremdartigen Wesen zum Opfer gefallen.
Furchtsam öffnete sie die Augen - und prallte zurück. Vor ihr stand ein Mann, den Aruula so viele Jahre nicht mehr gesehen hatte und doch sogleich erkannte. Er blutete und streckte wie flehend die Hand nach ihr aus.
»Komm her, meine Tochter!« , bat er. »Ich bin verletzt! Komm her und hilf mir!«
»Vater!« , hauchte Aruula. Schon wollte sie zu ihm und ihn in die Arme schließen. Ihn, den hoch geachteten Krieger vom Volk der Dreizehn Inseln.
Den mutigen, klugen Mann, der sein kleines Mädchen so liebevoll auf den ersten Schritten des Weges begleitet hatte. Den Held ihrer Kindertage. Ihren Vater.
Doch dann erreichte sie eine Stimme - und zerriss den Bann, der Aruula gefangen hielt. Sie gehörte einem anderen Mann, dem sie eng verbunden war.
Maddrax.
***
»He, Rulfan!« , rief Matt. »Bring Wulf zur Räson - aber ein bisschen plötzlich!« Doch bevor der Albino reagieren konnte, meldete sich Aruula zu Wort. Sie war wie abwesend einige Schritte näher gekommen und stand jetzt direkt neben ihm.
»Setz Namuuki ab, Maddrax!« , sagte sie mit bebender Stimme. »Sofort!«
Matt spürte instinktiv, dass Aruula einen triftigen Grund für ihre Warnung hatte, und handelte unverzüglich. Namuuki winselte herzzerreißend, als Matt sie zu Boden setzte - und hetzte zurück zu Wulf. Der Lupa schnüffelte sie ab wie ein besorgtes Elterntier. Matt wandte sich an Aruula.
Die Barbarin ergriff seinen Arm. »Ich weiß jetzt, was uns verfolgt!« , sagte sie und zeigte auf Namuuki.
»Das Zwergenviech?« , fragte Matt gedehnt. »Bitte! Mach dich nicht…«
»Hör mich an, Maddrax! Dieser Berg gehört uralten Wesen. Sie sind fremd, anders als wir und… und …« , Aruula suchte nach Worten, »… sie sind böse! Namuuki wurde von einem von ihnen übernommen. Ich habe die Gedanken des Wesens gesehen! Es wird uns töten, Maddrax, jeden einzelnen von uns!«
Matt spürte den Driller in seiner Hand; kühles Metall, das Sicherheit versprach.
Ganz allmählich brachte er die Waffe in Position. »Dann kommen diese Halluzinationen von Namuuki?« , fragte er mit Blick auf das kleine weiße Fellknäuel.
»Nicht von Namuuki« , sagte Aruula.
»Von dem Monster in ihr.«
Matts Finger tastete nach dem Abzug.
***
Jed bemerkte erst, dass er eingeschlafen war, als er die Augen öffnete und Rauch roch. Blinzelnd richtete er sich auf.
»Ist es nicht etwas…
Weitere Kostenlose Bücher