0811 - Dämonensplitter
der Entflohenen ja kein Haar krümmen durfte. Der Befehl war zu eindeutig, als dass er hier und jetzt seiner Blutgier nachgeben durfte. Nein, gegen seinen Herrn wollte auch er sich nicht stellen.
Alles in Khira schrie nach Flucht. Einfach umdrehen, hinein in das Haus und durch den Vordereingang wieder hinaus. Doch ihre Beine waren wie an den Boden gefroren. Sie schaffte es nicht, sich auch nur einen Schritt weit zu bewegen.
Und dann wollte ihr beinahe der Verstand aussetzen, denn sie konnte nicht glauben, was sie nun sah. Mirjad war aus ihrer Deckung hochgekommen. Sie stand kaum zwei Meter hinter dem Vampir. Er muss sie doch bemerken! Doch das Nachtwesen schien das Kind nicht zu registrieren. Khira verstand das nicht, doch zumindest für den Augenblick rettete das Mirjad das Leben.
Dann ging alles so unglaublich schnell. Alles lief so ansatzlos und wie in einem schlechten Horrorstreifen ab.
Mirjad griff an die Seite ihrer viel zu großen Latzhose und zog aus der Zollstocktasche einen Gegenstand hervor. Dem ersten Augenschein nach hielt Khira es für einen Stock, doch dann sah die sie Metallbeschläge, die sich daran befanden. Das Ding mochte knapp dreißig Zentimeter lang sein, doch wie eine ernstzunehmende Waffe sah es eigentlich nicht aus.
Das änderte sich, als Mirjad mit einer flinken Bewegung, die ihr anscheinend in Fleisch und Blut übergegangen war, den Stock aufklappte. Khira traute ihren Augen nicht - das war ein Klappmesser. Allerdings das größte, das sie je gesehen hatte. Die Bezeichnung konnte man so nicht stehen lassen, denn Griff und Klinge maßen zusammen gut und gern mehr als einen halben Meter. Das war dann schon eher ein Kurzschwert, dessen Klinge rasiermesserscharf geschliffen war.
Und wie ein Schwert benutzte Mirjad die Waffe auch.
Waagerecht in der Luft liegend, beschrieb die Klinge einen weiten Halbkreis, getrieben von beiden Armen des Kindes, und stoppte auch nicht dort, wo der Hals des Vampirs ihren Weg kreuzte.
Es war ein einziger, ein glatter Schnitt…
Im Gesicht des Vampirs lag nicht einmal ein Anflug von Erstaunen oder Entsetzen, denn er hatte den Tod nicht bemerkt, der wie eine Sichel auf ihn zupfiff.
Der Kopf prallte auf den Boden und rollte weiter, genau zwischen die zwei Männer, die Khira nun beinahe erreicht hatten. Wenige Zentimeter vor den Füßen der Kleinwüchsigen kam das makabere Gebilde zum Stillstand.
Und die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages ließen den Kopf des Blutsaugers zu Staub zerfallen.
Ein Kälteschauer schüttelte Khiras Körper. So unwirklich und entsetzlich das auch alles war - sie erlebte es tatsächlich. Und auch die zwei Männer vor ihr waren keine Halluzinationen. Doch die waren nun keine Gefahr mehr, denn das Ende des Vampirs schien sie ungemein zu verwirren. Es schien, als wären sie so plötzlich auf sich allein gestellt überhaupt nicht fähig, eigene Entscheidungen zu treffen. Sie würdigten Khira keines Blickes mehr.
»Verschwindet! Los! Oder soll ich ein wenig an euch herumschnitzen?« Mirjads Stimme war die einer Kriegerin, nicht die eines Kindes!
Die Männer verschwanden zwischen den Häusern.
Khira betrachtete Mirjad, die noch immer die mörderische Waffe in der rechten Hand hielt. Es war kaum Blut an der Klinge zu sehen. Zu schnell und wuchtig hatte Mirjad zugeschlagen - nahezu perfekt, wie eine gut trainierte Mordmaschine.
Khira wunderte sich über den ruhigen Klang ihrer eigenen Stimme, als sie sagte: »Ich denke, du wirst mir einiges zu erklären haben, nicht wahr?«
Mirjad nickte lächelnd. Doch in diesem Lächeln war nichts Herzliches - in ihm lag einzig der Triumph über ihren Sieg.
»Ja, doch nicht hier. Komm, ich bringe dich an einen Ort, an dem sie uns nicht finden werden. Glaub nur nicht, dass die drei die Einzigen sind, die man auf deine Spur hetzte. Er will dich zurück. Und ich will von dir wissen, warum das so ist.«
Khira folgte dem Mädchen hinaus aus dem Dorf. Was sollte sie dem Kind auf seine letzte Frage antworten?
Was auch immer Mirjads Antrieb sein mochte, der Hass, der in dieser zierlichen Gestalt wohnte, brannte lichterloh.
Khira wollte herausfinden, wie er zu löschen war, ehe er das Mädchen endgültig auffraß…
***
Der ziehende Schmerz wanderte durch Zamorras Körper.
Die Form der zeitlosen Raumüberbrückung, die Dalius Laertes anwandte, war für den normalen menschlichen Körper wohl irgendwie nicht geeignet. Zamorra hatte das Gefühl, als würde etwas mit Macht an seinen Nervensträngen
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