0814 - Der geheimnisvolle Engel
Nicole genoss das Carpaccio vom Weideochsen, aber der wohlschmeckende geräucherte Butterfisch begeisterte sie restlos. »Da nehme ich zehn Kilo mit, wenn wir zurück nach Hause fahren.«
»Sofern wir diesen Einsatz überleben«, unkte Zamorra. »Dann können’s von mir aus auch 20 Kilo sein.«
Nach einer Nacht voller Liebe brachen die beiden am nächsten Morgen zum Kap Arkona auf, dem nördlichsten Punkt und gleichzeitig Wahrzeichen der Insel. Im kleinen Weiler Putgarten mussten sie den Cherokee abstellen und fuhren die zwei Kilometer zum Kap mit einer kleinen Touristenbahn. Schon von weitem konnten sie die drei ungleichen Leuchttürme sehen, die das Kap zierten. Sie stiegen auf den höchsten, den Neuen Leuchtturm, um sich erst mal von oben einen Überblick zu verschaffen. Und wie es Zamorras Reiseführer »vorhergesagt« hatte, hatten sie einen wunderbaren Ausblick direkt auf die Reste der Jaromarsburg. Der landeinwärts liegende Teil des doppelt angelegten Ringwalls, der den Tempel weiträumig umzogen hatte, war noch deutlich zu sehen. Einen großen Teil des Svantevit-Heiligtums hatte sich allerdings bereits die Ostsee geholt, die sich direkt dahinter ausdehnte.
Zamorra und Nicole prägten sich schon mal ganz grob die Örtlichkeiten ein. Man konnte ja nie wissen, inwieweit man dieses Wissen mal ganz dringend brauchte. Dann kletterten sie wieder hinunter und marschierten zur ehemaligen Burganlage hinüber, die heute nicht mehr als ein strukturierter Hügel war.
Auf dem Weg dorthin begegneten sie einer jungen hübschen Frau mit streichholzkurzen blonden Haaren, die sich anscheinend ziellos bewegte. Als sie an ihr vorbei kamen, sahen sie kalten Schweiß auf ihrer Stirn glänzen. Mit unnatürlich aufgerissenen Augen starrte sie Zamorra und Nicole an.
»Steht die unter Drogen?«, murmelte Nicole stirnrunzelnd.
»Ist Ihnen nicht gut? Können wir Ihnen irgendwie helfen?«, sprach Zamorra die Frau an.
»Nein, danke, ich…«, stammelte sie, machte auf dem Absatz kehrt und hetzte auf das Waldstück zu, das sich in unmittelbarer Nähe befand.
»Verdammt, Nici, hinterher«, schrie Zamorra und spurtete auch schon los. »Wir müssen sie kriegen!«
Nicoles Schrecksekunde war minimal, dann rannte sie ebenfalls los. Am Wäldchen angekommen, teilten sie sich. Zamorra verschwand rechts zwischen den Bäumen, Nicole hielt sich links. Die beiden verstanden sich blind, sie waren ein eingespieltes Team.
Das Gelände war ziemlich steil, der dichte Wald gehörte zum Klippenbewuchs. Zamorra blieb stehen und lauschte erst mal. Er wusste, dass Nicole das Gleiche tat. Also musste das Knacken, das von rechts kam, von der Flüchtenden verursacht worden sein.
Der Professor rannte los. Prompt glitt er auf dem weichen Boden aus und stürzte. »Verdammt«, murrte er, als ein scharfer Schmerz durch seinen Oberschenkel zog. Er wollte aufstehen, aber es ging nicht. »Nici, andere Seite!«, brüllte er.
Nicole reagierte sofort. Wie ein junges Reh hüpfte sie ein Stück unterhalb seines Standorts zwischen den Bäumen hindurch. Zehn Minuten später war sie wieder bei Zamorra. »Keine Chance mehr, sie ist mir entfleucht«, sagte Nicole säuerlich. »Die war noch besser im Wald unterwegs als ich. Schon komisch.«
»Mich wundert’s nicht«, erwiderte der Professor, der bereits wieder stand. »Das Amulett hat sich leicht erwärmt, als wir an ihr vorbeigegangen sind. Ich hab’s leider einen Moment zu spät registriert.«
»Eine Dämonin?«
»Schwer zu sagen. Vielleicht ist sie auch nur besessen. Auf jeden Fall scheinen wir eine erste Spur zu haben. Wenn’s kein Zufall ist.« Er biss die Zähne zusammen und stieg mit Nicoles Unterstützung wieder auf den Klippenweg hoch.
Weiter vorne stand ein Mönch auf dem Weg, der sich nun ziemlich eilig davonmachte, als sich die beiden Dämonenjäger in seine Richtung wandten. Nicole runzelte die Stirn.
»Seltsam«, sagte sie. »Den habe ich gerade vorhin auch unten im Wald gesehen. Und weißt du was? Er hatte ein Fernglas umhängen. Damit hat er die Verfolgungsjagd beobachtet.«
»Der Tracht nach ein Zisterzienser«, sinnierte Zamorra. »Wird wohl ein Zufall gewesen sein. Vielleicht hat er ja Vögel beobachtet.«
»Oder Andere beim Vögeln«, ätzte Nicole. »Irgendwie kommt mir der Typ verdächtig vor. Ich gehe mal hinterher.«
Aber sie hatte zum zweiten Mal Pech an diesem Tag. Auch der Mönch war plötzlich wie vom Erdboden verschwunden.
»Und nu’?«, fragte sie.
»Am liebsten würde ich der
Weitere Kostenlose Bücher