0814 - Der geheimnisvolle Engel
aktuelle Politik, die in ihren ständig wechselnden Bündnissen und Interessen verwirrender als der Anblick einer wunderschönen Frau war. Erst nach dem beendeten Mahl kam der Dänenkönig auf den Punkt.
»Und nun, mein lieber Eskil, seid so gut und zeigt mir, was der wunderbare Seraphim Euch überlassen hat. Ich weiß, dass er dies tat, er sagte es mir heute Nacht.«
Eskil von Lund lächelte. Er zog einen kleinen Handspiegel unter seiner weißen, schwarz gegürteten Tunika hervor, über die er die so genannte Flocke gelegt hatte, ein mantelähnliches Überkleid. Dies war die Tracht des Zisterzienser-Ordens, der sich in rasender Geschwindigkeit über ganz Europa ausbreitete. Eskil war einst Erzbischof von Lund gewesen und damit treuer Anhänger von Papst Alexander III. Deswegen hatte er sich mit König Waldemar entzweit, der als Anhänger Friedrich Barbarossas dem Gegenpapst Viktor IV. huldigte. 1161 war Eskil deswegen freiwillig nach Frankreich in die Verbannung gegangen und hatte sich dort dem 1098 von Robert von Molesme neu gegründeten Zisterzienser-Orden angeschlossen. Nachdem König Waldemar dann auf die Seite Alexanders III. übergewechselt war, konnte Eskil nach Dänemark zurückkehren. Die beiden Männer, die sich menschlich schon immer gut verstanden hatten, waren seither richtige Freunde.
König Waldemar von Dänemark nahm den Spiegel aus Eskils Hand entgegen und betrachtete ihn aufmerksam. Auf den ersten Blick war nichts Ungewöhnliches an ihm. Es war ein Spiegel, wie ihn die feinen Damen des Hofes zum Pudern ihrer Näschen benutzen mochten. Die runde Spiegelfläche maß eine gute Handspanne und war von einem breiten, fein ziselierten silbernen Rahmen umgeben, der in einem Handgriff auslief.
Als Waldemar jedoch genauer hinschaute, bemerkte er, dass die Ziselierungen fein gegeneinander abgestufte magische Zeichen waren. Der König kannte ihre Bedeutung nicht, aber er verstand immerhin das Prinzip des Magischen, das dahinter steckte. Er hatte es bereits als kleiner Junge am Hof des mächtigen seeländischen Fürsten Asser Rig kennen gelernt, der ihn aufnahm und erzog, kurz nachdem Waldemars Vater ermordet worden war.
»Dies ist die Waffe, mit der wir unsere heilige Mission, die uns der Seraphim antrug, nun endlich durchführen können«, sagte Eskil. »Es handelt sich bei diesem Spiegel um einen derart starken magischen Gegenstand, wie ich ihn noch nie zuvor in Händen hielt. Diesem kann der furchtbare Dämon, dem die heidnischen Ranen huldigen, nicht gewachsen sein. Der Seraphim erschien mir in einem Traum und führte mich dort, wie er es mir angekündigt hatte, in den verborgenen Keller einer kleinen Kirche bei Lund. Als ich wahrhaftig dorthin ging, fand ich alles so, wie im Traum beschrieben, und konnte diesen Spiegel aus einer Mauernische bergen. Nun müssen wir die Mission des Seraphims erfüllen und gen Rügen ziehen.«
»Ja, das müssen wir«, nickte König Waldemar nachdenklich. »Auch wenn mich dieser Feldzug mit dem mächtigen Sachsenherzog Heinrich dem Löwen entzweien wird. Noch sind wir Verbündete in unserem gemeinsamen Kampf gegen die heidnischen Slawen. Aber auch Heinrich erhebt Anspruch auf die Insel Rügen.«
»Das darf uns nicht stören«, erwiderte Eskil. »Unsere Mission ist eine göttliche. Alle anderen Interessen haben zurückzustehen, wenn Gott selbst uns in den Kampf schickt.«
»Wahr gesprochen, mein treuer Eskil. Ich werde also erneut eine starke Flotte gegen die Insel Rügen segeln lassen. Fürst Jaromar hat mich zwar bereits drei Mal zurückschlagen können. Aber dieses Mal ist ein Engel Gottes mit uns. Dieses Mal werden wir obsiegen.«
***
Gegenwart:
Komm schon, mach endlich fertig, dachte Marion von Altmühl nervös. Sie konnte den Mann, der sich da gerade redlich auf ihr mühte, heute kaum ertragen - im doppelten Wortsinn. Ein lautes Stöhnen kündigte Marions »Erlösung« an.
»Das war ja wohl nichts«, sagte der ältliche Mann mit dem enormen Bauch und der Stirnglatze, während er sich schnaufend und schwitzend anzog. »Muss ich mir vielleicht eine andere suchen?«
»Nein, natürlich nicht, Schatz«, erwiderte Marion schnell und zeigte, auf der Bettkante sitzend, ihr geschäftsmäßiges Lächeln. Aber nicht mal das wollte ihr heute so richtig gelingen. »Du weißt doch, dass ich dich mag und mich immer wahnsinnig freue, wenn du mich besuchst. Du bist der weitaus tollste Liebhaber von allen. Keiner hat es so super drauf wie du.«
»Ich weiß«, konterte der
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