0814 - Der geheimnisvolle Engel
nahm den Gegenstand heraus, der dort viele Jahrhunderte vergessen gelegen hatte.
Ehrfurchtsvoll betrachtete er den Handspiegel mit dem silbernen Rahmen und den feinen Ziselierungen. Ein Kribbeln ging durch seinen Körper. Bruder Claudius konnte etwas von der Kraft spüren, die dem magischen Gegenstand innewohnte.
Der legendäre Spiegel des Eskil von Lund Ja, das war er, kein Zweifel war möglich. Damit ließ sich vielleicht noch reparieren, was der unselige Bruder Passionatus angerichtet hatte.
Nein , so darf ich nicht denken, wies sich Bruder Claudius selbst zurecht. Er ist ja nicht freiwillig gestorben, es hätte auch überall anders passieren können.
»Ich danke dir, du Bote des Herrn«, sagte er leise und drückte den Spiegel inbrünstig an seine Lippen. Dann stieg er zurück an die Oberwelt, wo ihn eine strahlende Morgensonne empfing, hatte ein langes Gespräch mit dem Abteivorsteher und brach dann fast überhastet nach Deutschland auf.
Die Insel Rügen war sein Ziel. Der Seraphim hatte es ihm genannt.
***
Zamorra und Nicole tranken aus und fuhren anschließend zum Château Montagne hoch. Dort begaben sie sich schnurstracks in Zamorras Arbeitszimmer im Nordturm. Der Professor setzte sich hinter seinen hufeisenförmig geschwungenen Arbeitstisch, verschränkte die Hände vor dem Bauch und schaute aus dem vom Boden bis zur Decke reichenden Panoramafenster. »Während ich mir hier die Wunder betrachte, die das verregnete nächtliche Loiretal so bietet, kannst du schon mal zu recherchieren anfangen«, sagte er grinsend in Nicoles Richtung. »Zu was halte ich mir schließlich eine Sekretärin, deren Gehalt eine solide, mittelständische Firma pleite gehen lassen würde?«
»Vielleicht, weil sie dir das Bettchen so schön warm hält wie keine andere, Chérie?«, gurrte Nicole und setzte sich mit unnachahmlichem Augenaufschlag auf seinen Schoß. »Und weil sie dir einmal pro Quartal das Leben rettet? Und weil sie zu den bestangezogenen Frauen Frankreichs gehört? Und weil du sie liebst wie niemanden sonst?«
»Außer mich selbst natürlich«, brummelte Zamorra. »Aber sonst kann man das so stehen lassen.«
»Huch, was bewegt sich da unter mir?«, hauchte Nicole geziert.
»Der Autoschlüssel natürlich«, grinste der Professor. Er zog Nicole ganz zu sich heran und küsste sie zärtlich. »Hab ich dir heute eigentlich schon gesagt, dass ich dich liebe? Und dass du wirklich hervorragende Arbeit ablieferst. Na, wenigstens in der Regel«, schränkte Zamorra ein, noch immer grinsend.
»Was soll das denn nun wieder?« Nicole runzelte in gespieltem Ärger die Stirn. »Ich arbeite immer hervorragend, nicht nur in der Regel. Dieser Witz hat übrigens einen derart langen Bart, dass eine ganze Geierfamilie darin nisten kann. Trotzdem, behaupte noch einmal etwas Anderes, dann wirst du mit Sexverbot nicht unter dreißig Minuten bestraft.«
Zamorras Grinsen verstärkte sich. »Wie, dreißig Minuten nur an Sex denken ? Das halte ich unmöglich aus. Deswegen stelle ich hiermit amtlich beglaubigt fest, dass du immer und überall und zu allen Zeiten die Allerbeste bist. Zufrieden?« Er nickte.
»Gut. Das wäre damit dann auch erledigt. Erst heute Morgen habe ich im Radio gehört, dass französische Chefs ihre Angestellten nur äußerst selten loben. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen, auch wenn es auf mich eigentlich gar nicht zutrifft. Aber nun an die Arbeit, Liebe meines unsterblichen Lebens. Ich will wissen, was es mit dieser Jaromarsburg auf sich hat.«
Während Zamorra zu diesem Zweck in seinem Hochleistungs-Computersystem herumsuchte, nahm sich Nicole der Bücher an, die noch nicht digitalisiert waren.
Eine Stunde später gab es erste Ergebnisse.
»Hm«, sagte der Meister des Übersinnlichen. »Fassen wir also mal zusammen: Die Jaromarsburg war eine Tempelburg der slawischen Ranen, ein zentrales Heiligtum, direkt am Kap Arkona auf der Insel Rügen gelegen. Soweit stimmt das mit Asmodis’ Angaben schon mal überein.«
»Ich traue ihm einfach nicht. Der zieht uns auch jetzt wieder über den Tisch, garantiert.«
»Mag sein, Nicole, vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall verehrten die Ranen in diesem Tempel die viergesichtige Gottheit Svantevit. 1168 wurde die Jaromarsburg vom Dänenkönig Waldemar dem Großen erobert, das Standbild des Svantevit ging dabei gewollt verlustig. Sagt dir dieser Name was, Nicole?«
»Svantevit? Nein, nie gehört. Ist das ein Dämon?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Zamorra und
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