0815 - Die Höllenbestie
gesehen, nicht einmal den Schatten der menschlichen Bestie. Er gab auch keinen Schrei von sich. Still sackte er zusammen. Vor dem Fenster blieb er liegen, wurde von der Frau untersucht, die zufrieden mit der Aktion war, denn Jory hatte ihn nur bewusstlos geschlagen.
»Schaff ihn in seine Bude!«
Kein Problem für Mister Amok. Er lud ihn auf die Schulter. Zusammen mit dem schlaffen Körper kletterte er durch das Fenster in das kleine Büro hinein.
Seine Mutter folgte ihm. Als sie neben dem schmalen Schreibtisch stand, atmete sie tief durch. »Geschafft!«
»Ich will Fleisch!« erklärte Jory mit dumpf klingender Stimme.
»Das bekommst du!«
»Wann?«
Die Frau schloss das Fenster. Der Bewusstlose lag neben dem Schreibtisch. In den nächsten Stunden würde er sich nicht rühren.
Wenn dann alles vorbei war, würde er sich nur an eine fremde Frau erinnern können, wenn überhaupt.
Jory wusste, wo das Fleisch aufbewahrt wurde. Der Geruch zeigte ihm den Weg.
Er eilte vor.
Es war recht düster im Schlachthaus, denn es schimmerten nur die Lampen der Notbeleuchtung. Lange Gänge nahmen ihn auf. Die Wände waren schon hier gekachelt. Gelbe Fliesen, hin und wieder vom Schein der Notbeleuchtung betupft. Dann sahen die Wände aus wie die Haut einer alten Leiche, die kurz vor dem Eintritt in den Zustand der Verwesung stand.
Die Zwischentüren waren zwar zu, doch nicht abgeschlossen. Jory hebelte oder schob sie auf. Mächtige Türen aus Metall, und der Blutgeruch verstärkte sich mit jedem Schritt.
Es wurde kälter. Sie erreichten die Nähe der großen Kühlkammern, aber dort wollten sie nicht hin.
Frisches, blutiges Fleisch – danach stand ihm der Sinn. Er ging geduckt und leckte über seine Lippen. Die Augen bewegten sich dabei wie zwei rötliche Kreise. Er hatte die Lippen gebleckt, seine Zähne schimmerten wie Stahlstifte. Sie lauerten darauf, in die blutige Masse gestoßen zu werden.
Eine sehr breite Schiebetür musste von ihm aufgezerrt werden.
Jory tat es gern, er knurrte in wilder Vorfreude, und er hatte endlich sein Ziel erreicht.
Vor ihm lag die Kammer.
Da hing das Fleisch.
Rinder- und Schweinehälften baumelten an den Haken. Sie bildeten regelrechte Gänge, in denen auch die großen Tische lagen, auf denen Hälften zurechtgeschnitten wurden.
Die Werkzeuge, mit denen dies geschah, glichen wahren Mordinstrumenten.
Er schnappte sich eines der Messer, fuhr damit herum, und die lange, scharfe Klinge beschrieb dabei einen schimmernden Reflex.
»Nimm dir, was du brauchst, Junge!«
Jory grinste und nickte. Er suchte sich eine Rinderhälfte aus, wuchtete sie locker vom Haken und schleuderte sie auf den breiten Tisch. Dort machte er sich über sie her. Das Messer setzte er nur dreimal ein. Blut floss und sickerte in Ablauf rinnen.
Jory aß.
Nein, er fraß, und er schmatzte dabei. Er riss mit seinen harten Zähnen die frischen, blutigen Stücke hervor. Er bewegte seine Kiefer malmend, schlürfte, leckte sich mehrmals die blutigen Lippen und genoss es, Kraft zu tanken.
Seine Mutter schaute zu. Auf ihrem Gesicht und auch in den Augen lag einzufriedener Ausdruck. Sie freute sich darüber, dass es Jory gut ging, er musste in Form sein, nur so konnte er es schaffen, das große Problem zu bewältigen.
Sie brauchten freie Bahn. Der andere Zwilling und die richtige Mutter lebten. Sie konnten sehr leicht zu Hindernissen werden, was sie auf keinen Fall wollte. Es hätte nur die weitere Arbeit gestört.
Mutter und Sohn hatten noch viel vor, und wenn alles klappte, würden sie bald unbesiegbar sein.
Reich werden und auch gefährlich.
Jory hatte sich auf die Tischkante gesetzt. Er brauchte kein Licht.
Sein Gesicht schwebte wie ein bleicher Fleck in der Düsternis, der sich beim Kauen zuckend bewegte. Knochenreste schleuderte er weg. Sie knallten auf die Fliesen.
»Wie viel noch?«
»Ich bin noch nicht fertig.«
»Dann iss.«
Mit dem Messer säbelte er das nächste Stück Fleisch ab. Er hatte es einer halben Schweinehälfte entnommen. Zwar machte es ihm mehr Spaß, in lebende Tiere zu beißen, aber das hier musste ihm auch ausreichen, denn so lange waren diese Schweine und Rinder noch nicht tot.
Er war zufrieden, was er durch ein sattes Rülpsen andeutete. Dann rieb er seinen Magen.
»Okay?«
Jory nickte.
»Dann komm.«
Mister Amok bewegte sich schwerfällig, als er seiner Mutter folgte.
Er war satt, fühlte sich kräftig, aber gleichzeitig auch müde. Schlaf war wichtig für ihn und sollte auch kein
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