0817 - Gefahr aus dem Drachenland
nennen, denn im Château herrschte selten völlige Stille. Vielleicht streifte Fooly mal wieder durchs Haus, oder Rhett Saris war aufgewacht und hungrig zum Kühlschrank geschlichen.
Zamorra tappte durch die Dunkelheit und verließ das Zimmer. Auch im Korridor war alles ruhig. Es gab kein Anzeichen dafür, dass etwas anders war also sonst. Das Vernünftigste wäre gewesen, sich wieder ins Bett zu legen, aber etwas hielt ihn zurück. Es war nicht mehr als eine Empfindung, die ihn in eine bestimmte Richtung trieb.
Zu seinem »Zauberzimmer«.
Der Mann, den man den Meister des Übersinnlichen nannte, öffnete die Tür und trat ein. Mit einem Fingerschnippen aktivierte er den Akustikschalter. Gleich darauf flammte die künstliche Beleuchtung auf und tauchte den Raum in gedämpftes Licht.
Zamorra gähnte vernehmlich und sah sich um. Er hätte schwören können, dass das Geräusch von hier gekommen war.
»Du wirst langsam alt«, sagte er zu sich selbst, was angesichts der Tatsache, dass er vom Wasser der Quelle des Lebens getrunken hatte, zumindest körperlich unmöglich war. Seither gehörte er - ebenso wie Nicole - zu den relativ Unsterblichen. Relativ deshalb, weil er noch immer durch äußere Gewalteinwirkung dahinscheiden konnte. »Du siehst schon Gespenster.«
Mit einem amüsierten Lächeln trat er vor seinen Schreibtisch. Er war genau so, wie er ihn ein paar Tage zuvor verlassen hatte. Oder doch nicht? Zamorra hatte den Eindruck, dass es eine Veränderung gab.
Als er mit den Zehen gegen etwas stieß, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Der Foliant! Das magische Buch mit den zu dreizehn Blöcken verschmolzenen Seiten mit jeweils einem Kapitelzeichen dazwischen! Sein Freund, der Silbermond-Druide Gryf, hatte Zamorra geholfen, darin das Erste Siegel zu öffnen.
Das Erste Siegel der Macht…
Was sich auch immer dahinter verbergen mochte, es hatte sogar dem 8000 Jahre alten Druiden Furcht eingeflößt.
Zamorra hatte das Buch verschlossen auf dem Schreibtisch zurückgelassen. Nun lag es auf dem Fußboden davor. Wahrscheinlich war er davon wach geworden. Es war hinuntergefallen und hatte sich dabei geöffnet. Zamorra ging in die Hocke, hob es auf, legte es wieder zurück und setzte sich nachdenklich vor den Schreibtisch.
Ungläubig schüttelte er den Kopf, als ihm das Unwirkliche der Situation klar wurde. Jemand musste das Buch hinuntergeworfen haben. Wie hätte es von allein fallen sollen?
Der Dämonenjäger entzündete die bereitstehenden Kerzen und schaltete mit einem erneuten Fingerschnippen die Beleuchtung wieder ab. Das Licht konnte den alten Schriften schaden, sie sogar zum Verblassen bringen, sodass das darin niedergeschriebene Wissen für immer verloren war.
Was in diesem Fall vielleicht sogar das Beste war. Es ließ sich noch gar nicht absehen, was mit der Öffnung der ersten beiden Siegel begonnen hatte. Gutes oder Böses? Zamorra wusste es nicht, aber er hatte ein verdammt mieses Gefühl bei der ganzen Sache. Dummerweise war es zu spät, sie noch aufzuhalten, fürchtete er.
Fest stand eigentlich nur, dass das Buch mindestens zweitausend Jahre alt war, weil der Druide es damals bei Merlin gesehen hatte.
»Wegen dir kriege ich noch Kopfschmerzen«, murmelte Zamorra mit einem Anflug von Galgenhumor. »Sei brav und lass mich schlafen.«
Zamorra wollte das Buch zuklappen, doch eine Ahnung hielt ihn zurück. Es war noch immer an derselben Stelle aufgeschlagen wie zuvor, als es auf dem Boden gelegen hatte. Irgendwo mitten im Vorwort, das sich allein mit dem Nachwort entziffern ließ. Den Inhalt der einzelnen Kapitel ließ es sich nicht entreißen. Beim Versuch, die einzelnen Blätter eines Kapitels voneinander zu trennen, hätte Zamorra sie unweigerlich zerstört.
Wieder ging ihm der Gedanke durch den Kopf, genau das tun zu müssen. Er schreckte davor zurück. Wenn das Öffnen der ersten beiden Siegel ein Fehler gewesen war, wollte er auf keinen Fall einen weiteren, womöglich noch größeren hinzufügen.
Neugierig betrachtete er die aufgeschlagenen Seiten, nickend diesmal. Er hatte sie bereits studiert, und der Text hatte sich nicht verändert, wohl aber…
Zamorra zuckte zusammen.
Diese bildliche Darstellung hatte er zuvor nicht gesehen. Oder konnte er sich nur nicht an sie erinnern, weil die gesichtete Menge an Text und Bildern zu gewaltig war?
Er erkannte eine verschwommene Gestalt, viel größer als ein Mensch und auch von anderem Körperbau. Sie lag in einem Nebel verborgen, als
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