0817 - Luzifers Tränenbecher
will aber auch hinzufügen, dass sich dein Leben von nun an ändern wird. Es gibt für mich nichts Wertvolleres auf der gesamten Welt als das, was du hier siehst, wobei ich dir sagen muss, dass die Perlen in Wirklichkeit keine Perlen sind, sondern etwas ganz anderes.«
»Und was, bitte?«
»Es sind die Tränen Luzifers, die er geweint hatte, als man ihn in die Verdammnis stieß. Und in diesem Becher wurden die Tränen des großen schwarzen Engels aufgefangen…«
***
Das saß!
Harry Stahl bewegte sich nicht. Er hatte die Worte genau gehört, und auf seinem Rücken hatte sich das kalte Kribbeln verdichtet. Er blieb sitzen, ohne denken zu können. Über den Schreibtisch und auch über den Becher hinweg starrte er die geheimnisvolle Frau an, die sich nicht bewegt hatte und nun fragte: »Hast du mich verstanden?«
Harry nickte.
Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er war einem normalen Fall nachgegangen. Dass dieser ihn jedoch in ein dermaßen tiefes Loch geführt hatte, darüber kam er nicht hinweg. Harry Stahl hatte in der Vergangenheit viele unglaubliche Dinge am eigenen Leibe erlebt und erfahren müssen. Er hatte einige Male mit dem Geisterjäger John Sinclair und dessen Freunden zusammengearbeitet. Sie hatten dabei schlimme Dinge erlebt, schreckliche Fälle gelöst, und sie waren meistens nur knapp mit dem Leben davongekommen. Deshalb konnte er die Behauptung dieser rätselhaften Frau nicht einfach als Lüge abtun. Er wusste nur nicht, was er sagen und wie er reagieren sollte. Diese Eröffnung hatte ihn starr gemacht.
»Glaubst du mir?«
Der Kommissar hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich… ich kann es nicht sagen.«
»Es stimmt. Die Tränen Luzifers. Sie sind gesammelt worden, als er weinte. Und sie sind zu Glas erstarrt, ohne sich wieder in sein Tränenwasser zurückzuverwandeln. Doch diejenigen, die den Kelch fanden, wussten damit nichts anzufangen. Sie wolltenihn verkaufen, sie hätten sicherlich einen guten Preis dafür bekommen, aber die Tränen Luzifers sind einfach unbezahlbar, Kommissar.«
Harry Stahl war der Wirklichkeit entrückt, obwohl sie ihn noch immer umgab. Innerlich zitterte er, äußerlich aber war er ruhig und lauschte den weiteren Worten Isabell Munros.
»Die Männer wollten ihn nehmen, sie sind gekommen, um ihn zu holen. Wahrscheinlich hatten sie schon einen Kunden, aber ich konnte es gerade noch verhindern. Sie mussten sterben.«
»Dann sind Sie eine Mörderin.«
Isabell Munro lachte. »Was sind schon zwei Leichen gegen das absolut Größte?«
»Sie waren Menschen!«
»Na und?«
Das Klicken hatte aufgehört. Beide Hände der Frau lagen jetzt ruhig auf den Kugeln, aber Harry ging es dadurch nicht besser. Ganz im Gegenteil, er fühlte sich in einer Falle, und er wusste auch, dass diese geheimnisvolle Person die Macht hatte, ihn zu vernichten. Sein Blick wechselte, als Isabell ihre Hände bewegte. Er schaute zu, wie sie Luzifers Tränen mit spitzen Fingern anhob und wieder zurück in den Becher fallen ließ.
Bei jedem Aufprall hörte er das unterschiedliche Klicken. Jede Perle, die nach unten fiel, sandte einen schimmernden Reflex aus, der wie ein Blitzstrahl in sein Gehirn drang.
Die letzte Perle verschwand. Isabell nickte ihm zu. »Ich habe bekommen, was ich wollte, und deshalb werde ich jetzt dieses Haus verlassen. Zusammen mit dem Becher.«
Harry wollte etwas sagen. Er wusste ja, dass er sie aufhalten musste.
Die Frau stand auf.
Sie beeilte sich nicht einmal, schließlich hatte sie erreicht, was sie wollte. Ihr Lächeln galt dem Kommissar, dann aber verkantete sich ihr Mund. »Ich möchte dir einen Vorschlag machen. Du hast von deinen Leuten gesprochen, die hier lauern. Ich möchte, dass sie sich zurückziehen und nicht herkommen. Es ist in ihrem Interesse.«
Harry kam mit diesem Vorschlag nicht zurecht. Etwas unsicher starrte er sie an. »Bitte«, sagte er, »das Gerät…«
Isabell lächelte wissend. »Sie können es nehmen, es wird wieder funktionieren.«
Es war komisch, Harry glaubte ihr. Auf seinem Stuhl drehte er sich um und verfolgte sie mit seinen Blicken, als sie den kleinen Raum verließ. Er kam dabei nicht auf den Gedanken, hinter ihr herzulaufen und sie zu verhaften. Isabell Munro hatte ihm nichts getan, aber Harry wusste, dass sie ihm über war.
Er sah sie nur mehr schattenhaft. Die Schritte hörte er kaum noch.
Endlich griff er zum Gerät. Gespannt schaltete Harry es ein.
Es funktionierte.
»Müller, bitte melden! Müller,
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