0820 - Im Netz der Para-Wölfin
wissen.
Unwillkürlich seufzte Zamorra. In letzter Zeit hatte er mehr als genug Ärger gehabt. Dennoch überlegte er nur kurz. Er wusste immerhin nur allzu gut, wie ein scheinbar unbedeutendes Ereignis eine bevorstehende Katastrophe ankündigen konnte.
Mit Hilfe der Regenbogenblumen würde es ein Leichtes sein, nach Australien zu gelangen. Die seltsamen Pflanzen dienten ihm und Nicole oft genug als magisches Transportmittel, ermöglichten sie doch einen zeitlosen Transit von einem Ort, an dem sie wuchsen, zum anderen, was der Heisekasse ungemein gut tat.
Da in Sydney ebenfalls eine Blumenkolonie wuchs, brauchte also nur noch die Weiterreise nach Newcastle organisiert zu werden.
»Darf ich mitkommen, Chef?«, fragte Fooly und riss Zamorra so aus seinen Überlegungen. Offenbar standen ihm seine Gedanken auf die Stirn geschrieben.
Der Meister des Übersinnlichen lächelte und leerte sein Weinglas.
»Nein, kleiner Freund«, antwortete er, »du bleibst hier und passt auf, dass das Château heil bleibt.«
Zamorra erhob sich und tätschelte dem enttäuscht aussehenden Jungdrachen den Kopf.
»Und jetzt wird geschlafen, Fooly«, entschied er. »Keine Widerrede!«
Zamorra schaltete den Fernseher ab und bugsierte Fooly hinaus in den Flur, um sich dann auf den Weg in sein Arbeitszimmer zu machen, wo er vor der Nachtruhe noch eben das Nötigste erledigen wollte. Im Geiste war er bereits mit der Reiseplanung nach down under beschäftigt…
***
Anwesen der LaGrange-Familie, etwa 25 km außerhalb von Newcastle.
Die Tür des Salons öffnete sich mit geisterhafter Lautlosigkeit. Edward LaGrange vernahm das kaum hörbare Quietschen trotzdem. Seine Sinne waren nicht die eines Menschen.
LaGrange stand gerade am Fenster und starrte ohne äußere Regung hinaus in die Dunkelheit. Kalter Vollmondschein fiel auf den Rasen seines Anwesens. Es war eine Nacht, die wie für die Jagd geschaffen war. Er träumte davon, seine menschliche Gestalt einfach abzustreifen und sich seinem mörderischen Trieb hinzugeben, doch das musste natürlich warten.
»Meister«, hauchte eine unterwürfige Stimme.
»Was störst du mich, Dienerkreatur?«, fragte LaGrange, ohne sich umzudrehen.
Die Antwort kam nur zögerlich. »Es hat einen Zwischenfall gegeben.«
LaGrange ließ die Worte in sein Bewusstsein einsickern, dann wandte er sich schließlich doch um.
»Welcher Art?«, fragte er knapp.
Unterwürfig musterte der Diener das Familienoberhaupt.
Edward LaGrange war etwa zwei Meter groß und kahlköpfig. Sein schlanker Körper steckte in einem schwarzen Maßanzug, der eine nicht unerhebliche Stange Geld gekostet hatte. LaGrange hatte ihn bezahlt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Dollars bedeuteten ihm nichts, auch wenn er im Überfluss davon besaß. Nur die Macht zählte, Macht und Ansehen seiner Familie… Seines Rudels.
»Es gab einen Überfall auf das ›Red Diamond‹«, brachte der unterwürfige Diener schließlich mit Verspätung hervor.
LaGranges Miene blieb unbewegt. Ein Überfall war noch nichts Spektakuläres. Er spürte aber, dass das noch nicht alles war.
»Wir haben-Verluste erlitten«, fuhr das Wesen vorsichtig fort. »Sieben unserer Brüder sind getötet worden.«
Als er sich die Zahl vor Augen hielt, verlor LaGrange doch noch seine stoische Gelassenheit.
»Sieben?«, fragte er mit einer Stimme, die wie klirrendes Eis klang. Ein rotes Flackern war in seine Augen getreten. Seine Zähne hatten unmerklich zu wachsen begonnen, doch er merkte es nicht einmal.
»Was genau ist geschehen?«, wollte er wissen.
Obwohl er sich nach Außen hin bemühte, immer noch die Ruhe zu bewahren, brodelte es in seinem Inneren. In Newcastle geschah nichts ohne seinen Segen. Er war der Patriarch und damit Herr über Leben und Tod. Dabei gelang es ihm, in der Öffentlichkeit einen völlig normalen und respektablen Eindruck zu wahren.
Edward LaGrange hatte seine Finger in der Stahl-Industrie, die einen bedeutenden Wirtschaftszweig von Newcastle bildete und unter anderem die Grundlage für seinen Reichtum war. Seine Kinder, die er in stillen Stunden oft als degenerierte Brut bezeichnete, beschränkten sich vornehmlich darauf, selbigen Reichtum wieder zu minimieren oder auf dem Anwesen dekadente Blutorgien zu feiern, deren Vertuschung ihn oft genug vor immense Probleme gestellt hatte.
LaGrange war alt, sehr alt. Er war 1804 mit der zweiten, überwiegend aus Sträflingen bestehenden Einwandererwelle nach Australien gekommen. Kurz nach seiner
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