0821 - Wo die Totenlichter leuchten
Seele.«
»Astralleib nennt man ihn heute.«
»Bitte, da ist es.«
»Und du hast ihn entdeckt?«
Das Knochengesicht mit der dünnen grünlichen Haut verzog sich in der unteren Region wieder zu einem Grinsen. »Nicht nur entdeckt, ich habe es sogar geschafft, die beiden voneinander zu trennen, sodass der eine ohne den anderen existieren kann. Es ist mir gelungen, in die Welt der Geister einzudringen, sie haben mich auch gelassen. Ich konnte in langen, sogar jahrelangen Sitzungen Kontakt mit diesen Wesen aufnehmen, und sie haben sich gefreut, waren sogar froh, mit einem lebenden Menschen Kontakt zu haben, und sie sandten mir ihre Botschaften zu.«
»Was für Botschaften?«
»Sie sprachen zu mir aus einer anderen Welt oder einem anderen Reich, und sie haben mich in ihre Mitte aufgenommen, denn ich versprach, auch für andere Verstorbene einen gewissen Ort zu schaffen, auf dem du dich aufhältst. Es ist der alte Friedhof, auf dem die Zuchthäusler verscharrt wurden. Für meine Freunde ist er so etwas wie ein Experimentierfeld, und sie freuen sich darüber. Sie haben mich als Herrscher eingesetzt, mich, den Lebenden, der trotzdem tot ist, denn mein Körper ist längst zu Staub geworden.«
»Man hat dich getötet?«
»Ja, du hast es gesehen. Man hat mich an dem Baum aufgehängt, der sein grünes Kleid für immer verloren hat, und man hat sogar eine Lanze in meinen Körper gerammt, um sicherzugehen. Es waren wilde Gesellen, die mich stellten, und sie sind von der Kirche und den Bewohnern, gemeinsam bezahlt worden. Aber sie hatten nicht damit gerechnet, dass von meiner Seite her schon alles vorbereitet gewesen war. Gewissermaßen für meinen Abtritt und anschließend für mein zweites Leben oder meine zweite Existenz. In der stehe ich nun vor dir, und ich habe es geschafft, diesen Friedhof zu beherrschen. Er ist eine Falle. Wenn er entsteht, werden Kräfte frei, die Menschen einfach auflösen. Das heißt, sie zerstören seinen normalen Körper, die blasen ihn aus, aber sie setzen seinen Astralleib wieder zusammen, und so kommt es dann zu dem Spuk, der sich sehr bald rächen wird. Ich habe mir schon einige geholt und sie wieder zurückgeschickt. Menschen und Tiere, und sie werden alles genau in meinem Sinne erledigen.«
Er hob die Laterne an.
»Sie ist mein Zeichen, durch sie bin ich bekannt geworden, und sie ist gleichzeitig auch die Quelle, die nie mehr verlöschen wird. Sie ist die Energie, die micherhält, die mich durchströmt, sodass ich in der Gestalt meines Astralkörpers dieses Gebiet auch weiterhin durchwandern kann. Ich weiß, dass die Astralkörper oft anders aussehen als ich, aber ich wollte nicht zu geisterhaft wirken, im Gegensatz zu denen, die in meine Falle geraten sind.«
Ich wusste Bescheid und musste ehrlich zugeben, dass ich mit dieser Lösung eigentlich nicht gerechnet hatte. Aber man lernt eben nie aus, und ich grübelte darüber nach, wie ich dieser Astralgestalt an den Kragen gehen konnte.
Dass er in mir einen Gegner hatte, das hatte der Laternenspuk wohl längst erkannt. Deshalb rechnete ich nicht damit, dass er mich am Leben lassen wollte. Nein, wir waren Feinde, denn ich konnte sein höllisches Treiben auch nicht zulassen. »Was ist denn mit dem Kloster und dem Zuchthaus? Ich denke nicht, dass beides noch existiert, oder?«
»Nein, es gibt sie nicht mehr.«
»Dann gäbe es auch für dich als Laternenspuk kein Motiv mehr, dich weiterhin an den Lebenden zu rächen.«
»Das sehe ich anders. Ich habe den mächtigen Geistern versprochen, ihnen Menschen zuzuführen. Das muss ich tun, sonst wird das Licht und die Kraft der Laterne erlöschen. Dann wird die Dunkelheit über mich kommen, die ewig bleibt.«
Die ewige Dunkelheit – anders gesprochen: der Tod. Es war die einzige Lösung, diesen Wahnsinn zu stoppen, und es lag an mir, ob es klappte oder nicht. Auf mein Kreuz musste ich diesmal verzichten, aber es gab trotzdem eine Möglichkeit, Elgath auszuschalten.
Er hob seine freie Hand. »Alles, was du denkst, kannst du vergessen. Auch damals schon haben Menschen versucht, mich zu vernichten. Es ist ihnen nicht gelungen, obwohl ich ihrer Meinung nach starb. Die Energie aus dem Jenseits ist stärker als die menschliche Kraft, sie wird immer überleben, ich habe es bewiesen.«
»Dann sag mir, was du mit mir vorhast.«
»Ich habe auf diesem Friedhof einen Platz für dich reserviert. Ich möchte, dass dein Leib in der Erde bleibt, aber dein Astralkörper freikommt. Sage nicht, dass du keinen
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