0825 - Böse kleine Elena
Vergleich zu den Dingen, die ihm im Laufe des vergangenen Tages widerfahren waren, hatte diese Veränderung schon seine Bedeutung, und er merkte, wie etwas in ihm hochkroch, das er ohne weiteres mit dem Begriff Furcht umschrieb.
Etwas belauerte ihn. Etwas hockte in der dichten, schattigen Dunkelheit des Zimmers, aber es zeigte sich nicht.
Für ihn war einzig und allein der Schädel wichtig. In ihm musste das Rätsel des gesamten Falls verborgen sein, von dem er nicht einmal den Anfang kann.
Er war gedreht worden. Okay, das stand fest. Was also lag näher, ihn wieder in seine ursprüngliche Lage zu bringen. Man brauchte ihn nur anzufassen und herumzudrehen.
Harry streckte seine Hände der kahlen Platte entgegen. Er wollte ihn von zwei Seiten anfassen und rechnete sogar damit, wieder diesen hellen Schrei zu hören. Aber diesmal konnte er seine Hände auf die glatte Knochenplatte legen, ohne dass etwas geschah.
Kein Schrei erschreckte ihn, und das Material selbst veränderte sich ebenfalls nicht. Glatt und kühl lag es unter seiner Haut.
Erleichtert atmete Harry auf. Möglicherweise hatte er sich doch geirrt.
Bestimmt sogar war er es gewesen, der den Schädel vor dem Niederlegen gedreht hatte. Das alles war ihm nur nicht mehr in Erinnerung geblieben, und jetzt hatte er…
Ein dumpf klingender Schrei drang aus seinem Mund, denn sein Blick war auf den Schädel gefallen. Auf die Vorderseite, wo einmal ein normales Gesicht gewesen war.
Nun nicht mehr.
Aber da waren plötzlich die Augen.
Keine leere Totenhöhlen.
Schwarze, geheimnisvolle Augen, erfüllt von einem unheimlichen Leben, schauten ihn an.
Ja, der Schädel lebte!
Harry ließ ihn los, sprang dabei zurück und stieß einen Stuhl um. Das Poltern störte ihn nicht, sein Blick galt einzig und allein diesem verfluchten, gelblich schimmernden Knochenkopf, in dem sich jetzt die Augen bewegten, als wollten ihm die dunklen Pupillen einen Gruß zusenden.
Es dauerte seine Zeit, bis sich der Mann wieder gefangen hatte, und dann wollte er trotzdem nicht daran glauben, denn dieser Schädel war einfach zu unheimlich und auch unerklärbar.
»Such mich – suche mich…«
Das Wispern der fremden Stimme erfüllte ihn mit einem Schauder. Sein Hals war trocken geworden. Die Stimme war aus dem Maul des Schädels gedrungen und sorgte dafür, dass sich seine Angst noch mehr verdichtete.
Hier lauerte jemand, der mit seinen Gefühlen spielte, der an ihn heranwollte, um schließlich…
Seine Gedanken brachen ab. Am liebsten hätte er sich einen Hammer besorgt, um den Schädel zu zertrümmern. Ob ihm das allerdings gelungen wäre, blieb fraglich. Er traute ihm alles zu, denn sicher war er stärker als Menschen.
Hatte er sich den Teufel in veränderter Form in seine Wohnung geholt?
Jedenfalls hatte er einen Auftrag angenommen, der ihm plötzlich nicht mehr schmeckte. Er wollte auch den Schädel nicht mehr haben, schaltete das Licht ein und fühlte sich etwas wohler.
Er wollte den Schädel nicht mehr haben. Sollte sich doch dieser verdammte Wilbur Scott darum kümmern. Zum Glück hatte er ihm die Telefonnummer aufgeschrieben.
In der Jackentasche fand Harry die Visitenkarte. Er flüsterte die Telefonnummer vor sich hin, als er die Zahlenkombination eintippte. Auch wenn es nach Mitternacht war, in diesem Fall spielte das keine Rolle. Scott würde, nein, er musste einfach herkommen und sich selbst um dieses verdammte Ding kümmern.
Als sich eine munter klingende Frauenstimme meldete, hatte sich Harry wieder so weit unter Kontrolle, dass er normal reden konnte. »Ja, guten Morgen, ich hätte gern einen Mr. Wilbur Scott gesprochen. Können Sie mich mit ihm verbinden?«
»Wissen Sie, welche Zimmernummer Mr. Scott hat?«
»Das weiß ich leider nicht.«
»Einen Moment Geduld, bitte.«
»Natürlich.« Harry war nervös. Er trommelte mit den Fingerkuppen auf das Gehäuse des Apparats und wartete voller Ungeduld auf die Verbindung, die zunächst einmal nicht erfolgte. Den Schädel auf seinem Schreibtisch ließ er nicht aus den Augen, aber der rührte sich nicht. Es wurde ihm auch keine akustische Nachricht übermittelt, der Totenkopf blieb völlig normal und ruhig.
»Hören Sie…?«
»Ja, ich bin noch da.«
»Es tut mir Leid, aber ein Mr. Wilbur Scott ist in unserem Hotel nicht abgestiegen.«
Harry Stahl schnappte nach Luft. »Nicht?« ächzte er.
»So ist es. Ich habe selbst nachgeschaut, aber seinen Namen nirgends gefunden.«
Stahl stöhnte auf. »Das ist natürlich
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