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083 - Das Gasthaus an der Themse

083 - Das Gasthaus an der Themse

Titel: 083 - Das Gasthaus an der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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bißchen verwöhnt. Oder sollte vielleicht der alte Golly Oaks den Whisky kriegen?«
    Der Wurm krümmte sich. »Sie sind nicht berechtigt, mir diese Fragen zu stellen, Inspektor Wade, das wissen Sie genau. Daß Sie mich jetzt vernehmen, könnte Sie Ihre Uniform kosten. Sie verleumden und beleidigen uns, jawohl.« Die Barkasse ging bei einem schaukelnden Floß längsseits und wurde vertäut. Jemand, der in der Dunkelheit nicht zu sehen war, stellte eine Frage. »Nur zwei junge Fischer, Sergeant«, antwortete Wade. »Legt sie auf Eis.«
    Noch am selben Tag besuchte Inspektor Wade die Geschäftsführerin des »Mekka«-Clubs, Mrs. Annabel Oaks. Die zuständige Behörde hatte Mrs. Oaks so lange zugesetzt, bis sie sich gezwungen sah, ihren »Club« als ganz gewöhnliches Gasthaus anzumelden, was den großen Nachteil hatte, daß die Polizei berechtigt war, regelmäßig und häufig Kontrollen durchzuführen. Zu jeder Tages- oder Nachtzeit durfte jeder x-beliebige Polizeiinspektor hereinspazieren und sich umsehen, was sehr unangenehm sein konnte — und oft schon gewesen war.
    Annabel Oaks beschwerte sich wütend bei ihren Gästen. »Das ist eine schöne Bescherung! Ein Offiziers-Club, und jeder plattfüßige Bulle kann einfach hereinkommen und dich filzen.« Man könnte vermuten, daß es sehr unklug von ihr war, etwas breitzutreten, was einen gewissen Prozentsatz ihrer Pensionsgäste abschrecken mußte. Aber das »Mekka« lag für die niedrigeren Dienstgrade der Handelsmarine sehr günstig. Die Männer hatten es nicht weit zu den Hafenbüros der verschiedenen Reedereien, und der Pensionspreis für die Schlafgelegenheiten und das Essen, beides natürlich ganz einfach, war gering. Die Gäste fanden den »Club« jedoch auch aus einem ändern Grund äußerst praktisch. Annabel Oaks stundete nämlich, was man ihr für Kost und Logia schuldete, bis man mit der Heuer in der Tasche von großer Fahrt zurückkam. Mutter Oaks war überhaupt sehr entgegenkommend, besonders wenn ihr ein Mann gefiel. Und ihr gefiel jeder, der kein Angeber und trinkfest war, der keinen Krach machte und sich nicht mit Golly oder anderen Clubgästen prügelte.
    Der Club hatte früher »Mokker« geheißen, und weil niemand wußte, was der Name bedeutete, war mit der Zeit »Mekka« daraus geworden. Aber selbstverständlich, erklärte Mutter Oaks mit großem Nachdruck, hätte sie nie farbige Seeleute bei sich aufgenommen und wenn Mekka, wie man ihr immer wieder erzählte, tatsächlich ein von — so sagte sie — »Niggern« bewohntes exotisches Land war, hätten sie oder Golly jeden ganz kurz abgefertigt und hinauskomplimentiert, der wie einer dieser Eingeborenen aussah. Ihr kämen keine sogenannten »Mekka-Leute« ins Haus.
    Golly Oaks jedoch machte nicht den Eindruck, als könne er jemandem kurz und bündig die Tür weisen. Er war ein sanfter kleiner Mann und recht schwächlich. Ein rötlicher Schnurrbart hing traurig auf ein weichliches Kinn hinunter. Er war ehemals Schiffssteward gewesen, und wenn er getrunken hatte, verstieg er sich zu der Behauptung, er habe es bis zum Zahlmeister gebracht. Einmal, bei einer ganz besonderen Gelegenheit, hatte er sogar erklärt, er sei Kapitän eines Linienschiffes gewesen, das den Atlantik befuhr. Aber hinterher war er sehr krank geworden.
    Mit Vorliebe sang er mit hoher Falsettstimme sentimentale Balladen, und er hatte ein Faible dafür, an sich Ähnlichkeiten mit bekannten Filmhelden zu entdecken. In unbeachteten Momenten versuchte er sich selbst in der Schauspielkunst, wobei er sich an einen Leitfaden mit dem Titel »Zehn Schritte zum Filmruhm« hielt, den ein »Wohlbekannter Spitzendarsteller aus Hollywood« verfaßt hatte - ein Mann, der so berühmt war, daß er es nicht nötig hatte, seinen Namen unter das Opus zu setzen.
    Mr. Golly Oaks' Neigung galt der großen Oper nicht weniger als dem Film. Die Pensionsgäste des »Mekka«-Clubs rissen oft ihre Fenster auf und taten lauthals ihre Meinung über Gollys Stimme kund, denn er sang am besten, wenn er Holz hackte -und er schien immer Holz zu hacken.
    Obwohl sie »Mutter« genannt wurde, hatte Annabel Oaks nichts Mütterliches an sich. Sie war mager, fast dürr und trug einen Bubikopf, was sie nicht schöner machte, denn das von dünnen grauen Haarsträhnen eingerahmte Gesicht war hart, beinahe abstoßend. Ein Teil ihrer Gäste nannte sie - hinter ihrem Rücken — »das alte Reibeisen«, doch für wenigstens hundert junge Seeleute auf allen sieben Meeren war sie

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