083 - Das Gasthaus an der Themse
Polizeidirektor ihm versicherte, er brauche die Bank nicht als erster zu betreten, nachdem er aufgeschlossen hatte. Endlich schwang die Tür auf.
»Am besten ist wohl, Sie leiten den Einsatz, Inspektor Wade — gebt ihm eine Pistole.« Jemand schob Wade die Waffe in die Hand, und er betrat den Schalterraum. Die Tür zum Büro des Geschäftsführers ließ sich nicht öffnen, sie war von innen abgesperrt. Aber die Beamten des Überfallkommandos hatten das nötige Werkzeug, und nach ein paar Minuten war das Schloß aufgebrochen, und die Tür sprang auf. Die Waffe in der einen, eine elektrische Taschenlampe in der anderen Hand, trat Wade schnell ein. Der Raum war leer, aber eine zweite Tür stand halb offen. Sie führte, wie Wade vermutete, in den Korridor zum Hof. Er stieß sie ganz auf, blieb stehen...
Im nächsten Augenblick fiel ein Schuß, eine Kugel pfiff an ihm vorbei und bohrte sich in die Wand. Kalkstaub rieselte auf ihn herunter. Er stieß die Tür mit einem Fußtritt noch weiter auf. Der zweite Schuß schlug viel dichter bei ihm ein. Er umklammerte den Türrahmen und feuerte blindlings in den dunklen Raum hinein. Er hörte nicht, daß das Feuer erwidert wurde, und hatte gar nicht gemerkt, daß die Einbrecher zurückschössen, wäre sein Ärmel nicht von Schüssen zerfetzt gewesen. Flüsternd verlangte er die Pistole des Kriminalbeamten, der hinter ihm stand, und gab ihm die seine. Gleichzeitig hörte er das Geräusch rennender Füße, dann schlug eine Tür zu.
Wieder feuerte er zwei Schüsse ab, diesmal wurden sie nicht erwidert, und als er die Taschenlampe hineinschob, um die Einbrecher zu provozieren, fiel kein weiterer Schuß. Es konnte eine Falle sein, doch er mußte das Risiko auf sich nehmen. Im nächsten Augenblick stand er in dem Raum. Es war kein Korridor, sondern ein kleines Büro, etwas tiefer gelegen als das des Geschäftsführers. Wade ließ den Lichtkegel der Taschenlampe von links nach rechts und wieder zurück wandern. Er befand sich in einem unansehnlichen Raum, in dem es nur einige stählerne Regale gab. Darauf standen reihenweise Kassetten. In einer Ecke entdeckte er eine Stahltür. Dahinter hörte er leises Motorengeräusch. Er versuchte die Tür zu öffnen, doch sie gab nur wenig nach, und er hatte das Gefühl, daß jemand sie von außen festhielt. Er rüttelte daran. Plötzlich flog die Tür auf, und Wade sah einen Wagen auf das Einfahrtstor zurasen. Eine Maschinenpistole begann zu bellen. Der große schwarze Wagen bog mit quietschenden Reifen auf die Straße ab, und aus den Wagenfenstern peitschten Schüsse aus automatischen Gewehren. Die überrumpelte Polizei blieb zurück, die Menge hinter dem Polizeikordon stob auseinander, und der lange Wagen schoß feuerspeiend davon. Die Kugeln jaulten und klatschten gegen die Hausmauern. Glas splitterte. Die Menschen suchten verzweifelt Deckung. Bevor man überhaupt begriffen hatte, was geschah, war der Wagen im St. James's Park verschwunden.
3
Erst am nächsten Morgen erinnerte sich Wade an die Frau mit der Fotografie. Da er ohnehin nach Scotland Yard mußte, machte er einen Abstecher in das nahe gelegene Krankenhaus, um sich nach ihr zu erkundigen. Zu seinem größten Erstaunen erfuhr er, daß sie schon entlassen worden war. Durch einen Irrtum, an dem möglicherweise der Sergeant schuld war, hatte man es versäumt, Anklage wegen Selbstmord (der als Straftat galt) gegen sie zu erheben. Als sie daher verlangte, man solle sie gehen lassen, hinderte sie niemand daran. »Ein unglaublich vitales Geschöpf«, sagte der Stationsarzt. »Als sie eingeliefert wurde, glaubte ich, sie sei tot, aber schon heute vormittag war sie wieder kräftig genug, ohne fremde Hilfe hinauszumarschieren. Es soll ein Selbstmordversuch gewesen sein. Wir haben dafür keinen Hinweis. Der Polizeibeamte, der sie hier einlieferte, glaubte, sie sei versehentlich ins Wasser gefallen. Sie hat sich übrigens schrecklich aufgeregt wegen eines Fotos, das sie verloren hat. Sie wurde deshalb so hysterisch, daß ich sie beinahe hier festhalten wollte.« »Hat sie ihren Namen angegeben?« fragte Inspektor Wade. Der junge Arzt schüttelte den Kopf. »Sie sagte nur, sie heiße Anna. Ihren Familiennamen wollte sie uns nicht nennen. Meiner Meinung nach ist sie geistig ein wenig zurückgeblieben — ohne, daß man sie deshalb für geisteskrank erklären könnte, selbst wenn man es wollte.« Wade wußte nicht, was er davon halten sollte. Er hätte sich für die unbekannte Alte kaum
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