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083 - Der Mann aus der Retorte

083 - Der Mann aus der Retorte

Titel: 083 - Der Mann aus der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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gewissen Stadium seiner Entstehung als Golem beschrieben, als das Ungestaltete, Formlose.
    Ich danke dir dafür, daß ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke, und das erkennet meine Seele wohl.
    Es war dir mein Gebein nicht verhohlen, da ich im Verborgenen gemacht ward, da ich gebildet war unten in der Erde.
    Deine Augen sahen mich, da ich noch unbereitet war, und alle Tage waren auf dein Buch geschrieben, die noch werden sollten, als derselben keiner da war.
    Ich trank einen Schluck Bier, und meine Gedanken beschäftigten sich wieder mit Rabbi Elija, dem es angeblich vor fast hundert Jahren gelungen war, einen künstlichen Menschen zu schaffen. Er sollte buchstabengetreu nach dem Buch der Schöpfung, dem Sefer Jezira, vorgegangen sein. Hatte es hier in Prag jemand vielleicht dem Rabbi Elija nachgemacht und Erfolg gehabt?
    Alles nur unsinnige Vermutungen.
    „Ihr sinnt über das Monster nach, nicht wahr?" riß mich Franca aus meinen Gedanken.
    „Ja", antwortete ich, schob den Stuhl zurück und stand schwankend auf.
    Das viele starke Bier verfehlte nicht seine Wirkung. Ich stand ziemlich schwach auf den Beinen und war heilfroh, als ich endlich im Bett lag.

    Am nächsten Morgen erkundigte ich mich nach Dr. John Dee und erfuhr, daß er mit einigen anderen Alchimisten im Goldmachergäßchen in der Burg wohnte. Ich schrieb ein paar Zeilen, gab sie Franca und trug ihm auf, den Brief Dr. Dee zu geben.
    Dann trat ich vor das Wirtshaus und blickte mich um. Geschäftiges Treiben herrschte in der schmalen Gasse. Es war ein freundlicher Herbsttag, und meine Stimmung besserte sich schlagartig. Doch das Monster ging mir nicht aus dem Sinn.
    Nachdenklich starrte ich zum Hradschin hoch, der mich aber nicht sonderlich beeindruckte. Ich fand die endlos langen Trakte und unzähligen Fenster monoton. Der Veitsdom gefiel mir da schon besser.
    Um mich etwas abzulenken, unternahm ich einen kurzen Spaziergang, der mich am königlichen Garten mit dem Lustschloß Belvedere vorbeiführte. Vor dem dreißig Meter hohen Schwarzen Turm blieb ich einen Augenblick stehen, wandte mich dann nach links und ging zur Moldau. Einige Flöße und Lastkähne waren auf dem Fluß zu sehen. Nach wenigen Minuten wurde mir kalt, und ich kehrte zurück ins Wirtshaus.
    Eine Viertelstunde später gesellte sich Franca zu mir. Er hatte mit Dr. Dee gesprochen, der in einer halben Stunde vorbeikommen wollte.
    Erwartungsvoll hob ich den Kopf, als einige Zeit später die Tür geöffnet wurde. Ich sprang auf und eilte auf den Eintretenden zu. Es war Dr. John Dee.
    „John!" rief ich freudig aus und stürmte auf ihn zu.
    Seit unserer letzten Begegnung hatte er sich stark verändert. Sein Schädel war fast völlig kahl, zum Ausgleich dazu trug er einen gewaltigen aschgrauen Vollbart, der in Locken auf seine schmale Brust herabfiel. Die Nase war breit und fleischig, der Mund klein, mit einer etwas vorstehenden Oberlippe. Er war einfach gekleidet - er hatte eine braune Kutte an, wie sie Mönche trugen.
    „Bist du es wirklich, Michele?" fragte Dee ungläubig.
    „Ich bin es", sagte ich und umarmte ihn. „Älter und fetter geworden. Lange ist's her, seit wir uns in London gesehen haben."
    „Das kann man wohl sagen", meinte Dee.
    Ich zog ihn zu meinem Tisch. Er trank ein Glas Wein, in das er ziemlich viel Wasser schüttete. Wir unterhielten uns englisch. Ich war sicher, daß es in Prag nur wenige Leute gab, die diese Sprache verstanden.
    Irgendwie wirkte Dee bedrückt. Er erzählte mir von seinem Leben als Astronom an Elisabeths I.
    Hof. Eines Tages war er der ewigen Intrigen leid geworden und hatte die Einladung Thaddäus Hajeks, der sich Hagecius nannte, angenommen und war nach Prag gereist.
    „Wie gefällt es dir in Prag?"
    Dee strich sich über den Bart. Seine Lippen bebten leicht.
    „Ich fiel vom Regen in die Traufe", seufzte er. „Der Kaiser schätzt mich sehr, aber sonst werde ich von allen Seiten angefeindet. Es geht wie in einem Tollhaus zu. Hier werden unglaubliche Intrigen gesponnen. Jeder versucht, den anderen auszustechen, jeder will die Gunst des Kaisers erringen. Ich bin alt und müde geworden und sehne mich oft nach London zurück."
    Dees Worte machten mich nachdenklich.
    „Sie streuen bösartige Gerüchte über mich aus", sprach Dee weiter. „Ich schenkte dem Kaiser einen Zauberspiegel. Nun wird von einigen Seiten behauptet, daß ich den Kaiser mit Hilfe eines nekromantischen Steines verhexen wollte."
    „Wer streut diese Gerüchte

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