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083 - Der Mann aus der Retorte

083 - Der Mann aus der Retorte

Titel: 083 - Der Mann aus der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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Kleinigkeit zu essen.
    Das Bier wurde uns sofort serviert; der herrliche Schinken wurde zusammen mit einem Laib Bauernbrot ein paar Minuten später auf den Tisch gestellt.
    Als ich Francas Blick sah, der gedankenvoll auf meinen Bauch gerichtet war, hörte ich nach ein paar Minuten mit dem Essen auf; dafür sprach ich reichlich dem Bier zu. Dabei lehnte ich mich zurück und musterte die Anwesenden. Es waren fast alles ältere Männer.
    „Spricht einer der Herren Deutsch?" fragte ich laut.
    Die Unterhaltung verstummte, und die Männer blickten mich neugierig an.
    „Wir sprechen fast alle Deutsch, Herr", sagte ein weißhaariger Mann. „Seit der Kaiser hier residiert, ist Prag wieder zu einer zweisprachigen Stadt geworden."
    „Herr Wirt!" schrie ich. „Eine Runde Bier für die Herren!"
    Man mußte freigiebig sein, wenn man Informationen wollte; und mir kam es auf ein paar Gulden nicht an. Es blieb nicht bei der einen Lokalrunde. Eine halbe Stunde später saßen die Männer rund um mich herum, und wir unterhielten uns lautstark.
    „Uns ist etwas Seltsames widerfahren", sagte ich und runzelte die Stirn. „Wir wurden von einem riesigen Ungeheuer überfallen."
    Ein paar Männer wandten den Blick ab. „Ihr habt Glück gehabt, Herr, daß Ihr mit dem Leben davongekommen seid."
    „Wer ist dieses Monster, Alter?"
    „Ich weiß es nicht, Herr. Niemand weiß es. Es tauchte vor einiger Zeit auf. Einmal verwüstete es ein Haus, dann überfiel es harmlose Patienten. Mädchen wurden geraubt. Das Monster drang einfach in Häuser ein und raubte die schönsten Jungfrauen."
    „Und weshalb wehrt Ihr Euch nicht gegen das Monster?"
    „Es ist unverwundbar, Herr", schaltete sich ein junger Bursche ein, der wie ein Zigeuner aussah. „Unverwundbar, sagst du? Hm. Ich schoß zweimal auf den Kerl und bin an sich ein guter Schütze. Doch es war Nacht. Ich glaubte, ihn verfehlt zu haben."
    „Man spricht besser nicht über das Monster, Herr", sagte der Weißhaarige.
    „Und weshalb, wenn ich fragen darf?"
    „Man fürchtet, daß man das Monster anlocken könnte, Herr."
    Ich schnaubte verächtlich. „Seit wann geistert dieses Ungeheuer in Prag herum?"
    „Seit einigen Monaten."
    „Hm", brummte ich. „Taucht es jeden Tag auf?"
    „Meistens nur einmal in der Woche, Herr", schaltete sich der Wirt ein.
    „Wurde es auch tagsüber gesehen?"
    „Niemals. Immer nur in der Nacht."
    Ich war ziemlich sicher, daß es sich bei dem Monster um einen künstlich geschaffenen Menschen handeln mußte.
    „Es raubt Mädchen?"
    Die Männer nickten schweigend.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, daß dieses Monster aus eigenem Antrieb Mädchen raubte; es mußte dazu Befehle erhalten.
    „Wurden die Mädchen später noch gesehen?" erkundigte ich mich.
    „Die meisten blieben verschwunden, Herr", flüsterte der Wirt. „Ein halbes Dutzend wurde aber gefunden. Sie waren alle tot. Jemand hatte ihnen die Kehle durchschnitten."
    Das Monster war real, da gab es keinen Zweifel. Ich hatte es mit eigenen Augen gesehen. Es mußte sich tagsüber irgendwo verstecken. Nur zu gern hätte ich die Leiche eines der Mädchen gesehen; das hätte mir wahrscheinlich weitergeholfen.
    Meine Neugierde war geweckt. Ich wollte das Geheimnis des Monsters ergründen.
    Franca runzelte die Stirn. Er schien meine Gedanken zu ahnen. Als Georg Rudolf Speyer hatte ich erlebt, wie Arbues de Arabell aus einer Alraunenwurzel ein menschliches Wesen erschaffen hatte; und vor zwölf Jahren war ich dabeigewesen, als Alexander Belot Leben in der Retorte entstehen ließ. Der letzte Erfolg war ihm jedoch verwehrt worden. Gott sei Dank, konnte ich nur sagen. Die unheimlichen Geschöpfe, die Paris terrorisiert hatten, waren grauenvoll genug gewesen. Und jetzt war es anscheinend jemandem hier in Prag gelungen, einen riesengroßen künstlichen Menschen zu erschaffen. Ich erinnerte mich an Gerüchte, die ich vor vielen Jahren gehört hatte. Anfang des sechzehnten Jahrhunderts sollte der Rabbi Elija von Chelm einen künstlichen Menschen erschaffen haben, den er Golem nannte.
    Ich bestellte noch einen Krug Bier. Langsam leerte sich das Wirtshaus. Das Gespräch über das Monster vertrieb die Gäste. Aber ich war nicht traurig darüber.
    Undeutlich konnte ich mich erinnern, in jüdischen Schriften etwas über den Golem gelesen zu haben. Ich kniff die Augen zusammen und schlug ungeduldig mit der flachen Hand auf den Tisch. Zufrieden grinste ich, als mir der Wortlaut endlich einfiel. Im Psalm 139 wird Adam in einem

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