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083 - Der Mann aus der Retorte

083 - Der Mann aus der Retorte

Titel: 083 - Der Mann aus der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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Schlaglöcher. Wir wurden mehrmals hochgeschleudert, und ein dutzendmal hatte ich mir schon den Kopf an der harten Decke angeschlagen.
    Franca Marzi, mein Freund und Diener, stieß einen ellenlangen französischen Fluch aus. Er fluchte immer in dieser Sprache.
    Franca stand seit vielen Jahren in meinen Diensten. Ich hatte ihn in Paris aus einer lebensgefährlichen Situation gerettet; seither begleitete er mich auf meinen Reisen. Er war ein schmächtiger Mann, meist sehr schweigsam, auf den ich mich aber hundertprozentig verlassen konnte. Zusammen hatten wir unzählige Kämpfe und Abenteuer bestanden. Mal war es uns gutgegangen, doch meist hatten wir nicht gewußt, wovon wir am nächsten Tag leben sollten. Jetzt war es anders. Durch das beträchtliche Vermögen, das mir mein Vater hinterlassen hatte, war ich jeglicher Geldsorgen enthoben.
    Ich merkte Francas mißbilligenden Blick und grinste. Er war dagegen gewesen, eine Kutsche zu mieten, aber ich hatte darauf bestanden. Im vergangenen Jahr hatte ich es mir zu gutgehen lassen; mein Wanst war unaufhörlich gewachsen; nun hatte ich einen Bauch wie eine Frau im achten Monat. Auf einem Pferd hätte ich eine lächerliche Figur abgegeben; außerdem glaubte ich nicht, daß mein entwöhntes Hinterteil einen scharfen Ritt hätte verkraften können.
    Wieder flog ich an die Decke. Diesmal stieß auch ich einen wütenden Fluch aus. Franca kicherte. „Ihr seid alt und fett geworden, Herr", stellte Franca sachlich fest. „Euer Haar ist grau, und Euer Gesicht vom vielen Weintrinken aufgedunsen. Wahrlich, Ihr seid kein erfreulicher Anblick."
    „Wenn du nicht mein Freund wärst, Franca", knurrte ich, „würde ich dich verprügeln."
    Franca lachte dröhnend. „Da hättet Ihr aber größere Schwierigkeiten, Herr. Ihr bewegt Euch so langsam wie eine Schnecke, und Euer Atem erinnert an den Blasebalg eines Hufschmiedes. Wahrlich, ich geniere mich für Euch, Herr."
    Ich faltete die Hände über meinem Bauch. Franca hatte nur zu recht. Ich mußte mich in Zukunft mit dem Essen und Trinken zurückhalten. Das Nichtstun des vergangenen Jahres war mir nicht gut bekommen. Ich war tatsächlich alt geworden. Mein Haar war grau, mein Gesicht faltig und aufgedunsen. Oft hatte ich Rückenschmerzen, und meine Beine wollten nicht mehr so richtig.
    Langsam wurde es dunkel. Ich hörte, wie der Kutscher die Pferde zu noch größerer Eile antrieb. Er wollte noch vor Einbruch der Nacht Prag erreichen, denn er hatte Angst, während der Dunkelheit zu fahren. Der Kutscher hatte von einem seltsamen Monster gesprochen, das während der Nacht in Prag und Umgebung sein Unwesen treiben sollte. Ich hielt das für dummes Gerede.
    Prag - die liebliche, die goldene Stadt. Viel hatte ich über Prag gehört, das eigentlich aus fünf Städten bestand, von denen jede ein eigenes Stadtrecht, ein eigenes Wappen und ein eigenes Rathaus hatte. Unser Ziel war die Burg.
    Schon einmal war Prag der Mittelpunkt des Heiligen Römischen Reiches gewesen. Das war unter Karl IV. gewesen. Hier würde ich einige der bedeutendsten Gelehrten und Alchimisten treffen, darunter auch meinen alten Bekannten Dr. John Dee, der Astrologe der Königin Elisabeth gewesen war.
    Ich warf einen Blick ins Freie. Leichter Nebel lag über der Landschaft.
    Der Kutscher stieß plötzlich einen durchdringenden Schrei aus, dann wieherten die Pferde. Die Kutsche kam von der Straße ab und wurde hin und her gerüttelt. Ich klammerte mich an einer Haltestange fest. Die Kutsche neigte sich zur Seite, streifte einen Baum, und ich flog Franca in die Arme und hielt mich an ihm fest. Die Pferde mußten durchgegangen sein, anders konnte ich es mir nicht erklären. Wieder drohte die Kutsche umzukippen. Rasch verlagerten wir das Gewicht, doch es war zu spät; die Kutsche fiel um, während die Pferde wild wiehernd weiterrannten. Schließlich prallte die Kutsche gegen einen Baum, wurde noch ein Stück herumgerissen, und dann bewegte sie sich nicht mehr.
    Ich stieß die Wagentür auf und steckte den Kopf heraus.
    „He, Kutscher!" brüllte ich auf deutsch, doch ich bekam keine Antwort.
    Mühsam stemmte ich mich hoch.
    „Hilf mir, Franca!" sagte ich.
    Mein Freund gehorchte. Er stieß mich hoch, und ich flog auf den Boden und rappelte mich fluchend auf. Franca folgte mir, er hatte nichts von seiner alten Geschmeidigkeit eingebüßt.
    Rasch sah ich nach den Pferden. Eines hatte sich die Hinterhand gebrochen und konnte nicht aufstehen. Zwei andere waren anscheinend

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