0831 - Leichen frei Haus
Hand auf die Schulter. »Versuche du es von hier, ich schlage dann den größeren Bogen.«
Auf meine Zustimmung verzichtete ich, denn da hatte er schon mit langen Schritten den Weg überquert und tauchte an der anderen Seite in sichere Deckung.
Auch ich blieb nicht mehr.
Den Gedanken an die Yakuza-Killer hatte ich verdrängt. Er hätte mich nur verunsichert, denn was ich jetzt mitbringen mußte, waren verdammt gute Nerven…
***
Wahrscheinlich tat Suko das gleiche wie ich, denn ich richtete mich nach dem Lichtschein.
Die Laterne war abgestellt worden, die Taschenlampen strahlten keine hellen Lanzen mehr ab, aber die Geräusche waren geblieben. Ich hörte hin und wieder einen Fluch, denn der klang in allen Sprachen der Welt irgendwie gleich.
Geduckt bewegte ich mich auf das Ziel zu. Der Boden war nicht nur hart, an manchen Stellen auch rutschig, denn in den kleinen Mulden lag das Eis mehr als fingerdick, und es schimmerte zudem auf den Rändern der querlaufenden Bodenfalten.
Die Unbekannten hielten sich dort auf, wo tatsächlich die neuen Gräber gebuddelt wurden. Hier war der Teil des Friedhofs, der nicht so dicht bewachsen war, weil Hindernisse jeglicher Art einfach zu sehr gestört hätten.
Bisher hatte mich niemand gesehen, und auch Suko war nicht entdeckt worden. Aber ich war nahe genug herangekommen, um erkennen zu können, was da in der Dunkelheit ablief. Für Menschen, die sich leicht gruselten, war diese Szenerie nichts.
Ich sah zwei Männer.
Einer stand dicht neben einem offenen Grab, ein anderer sprang gerade hinein. Und aus dem Grab erklang ebenfalls eine Stimme, die etwas sagte, was ich nicht verstand.
Drei Männer, drei Japaner.
Der Mann am Grab trug einen dunklen Mantel, aber keine Kopfbedeckung. Er besaß nur wenig Haare, so daß der kugelige Kopf beinahe schimmerte wie das Eis auf den Zweigen. Der Mann schaute in das Grab hinein und gab immer wieder Anweisungen.
Für mich war er deshalb so gut erkennbar, weil er in der Nähe einer alten Laterne stand. In ihr brannte eine Kerze, deren weicher Schein ausreichte, um einen Teil der Grabumgebung auszuleuchten. Sie hatte auf einem Erdhügel ihren Platz gefunden, neben ihr lagen zwei Spaten und eine Schaufel.
Der Glatzkopf sagte nichts, er schaute nur zu. Hin und wieder bewegte er seine rechte Hand ziemlich heftig, als wollte er den anderen Männern so Befehle erteilen.
Die schufteten in dem Grab. Sicherlich war es nicht einfach für sie, den Sarg hervorzuholen. Der hatte sein Gewicht. Wenn sie ihn hochhievten, mußten sie viel Kraft aufwenden.
Die dumpfen Geräusche waren von den Flüchen der Männer begleitet. Sie hatten ihre Schwierigkeiten, aber sie schafften es, denn der Glatzkopf fiel auf die Knie, um ihnen zu helfen. Er streckte beide Arme vor, um das zu umfassen, was aus dem offenen Grab geschoben wurde.
Es war der Sarg mit der Leiche!
Sollte ich eingreifen? Wir hätten sie jetzt überraschen können, aber ich zögerte, weil ich wissen wollte, wie es weiterging. Suko dachte bestimmt ähnlich.
Der Sarg wurde hochgedrückt. Wie eine dicke und kantige Zigarre tauchte er auf, und der Glatzkopf schaffte es, ihn an den Griffen zu umklammern. Er keuchte, dann zerrte er die dunkle Totenkiste in die Höhe, die sicherlich von den beiden Männern unten im Grab noch abgestützt wurde. Die Kante des Grabs wurde als Stütze benutzt, der Rest war ein Kinderspiel, denn plötzlich stand der Sarg im Freien.
Der Glatzkopf lachte. Er ging in die Knie und schlug mit der flachen Hand auf den Deckel. Das Laternenlicht streute seinen Schein über die Totenkiste, die nicht zu den preiswerten Fabrikaten gehörte, das sah ich anhand der Form, des Materials und der golden schimmernden Tragegriffe. Da hatte jemand für den Toten tief in die Tasche gegriffen. Die beiden anderen Helfer blieben auch nicht mehr lange unten. Zwei Handpaare umklammerten den Grabrand, dann stützten sich die Kerle ab und stemmten sich ruckartig hoch. Mit geschmeidigen Bewegungen verließen sie die ungastliche Stätte und blieben bei dem Glatzkopf stehen.
Zu dritt starrten sie auf den Sarg. Sie unterhielten sich mit leisen Stimmen, und wieder war ich der Gelackmeierte, denn ich verstand kein Wort.
Für sie hätte eigentlich alles klar sein müssen, aber etwas stimmte wohl nicht. Immer wieder deuteten die beiden in das Grab zurück, als hätten sie dort etwas vergessen.
Sie machten den Glatzkopf so nervös, daß er selbst hineinschaute, die Schultern hob, sich wieder drehte und
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