0836 - Das Puppenmonster
Krimis, in denen derartige Szenen zur Tagesordnung gehörten.
Ein Toter vor dem Haus. Vielleicht ein Mieter. Möglicherweise jemand, der ermordet worden war.
Ihr Herz schlug immer schneller. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf. Seltsamerweise trafen sie sich an einem Punkt. Sie dachte immer wieder an Ivy.
Als sie die Küche verließ und in der Diele stehenblieb, hörte sie die Stimmen aus dem Flur. Es gab wohl keinen Menschen mehr, der nicht aus dem Schlaf gerissen worden war, denn der Krach war nicht zu überhören.
Leona löste die Sperrkette und öffnete die Tür so leise wie möglich. Sie schaute durch den Spalt in den Flur hinein. Das Licht brannte. Von unten her hörte sie Stimmen. Aus der Nachbarwohnung stürmte ein Mann, den Morgenmantel lässig um den Körper geschlungen. Er eilte so schnell davon, daß sie ihn nicht mehr fragen konnte.
Die Frau lief ihm nicht nach. Sie schloß die Tür wieder und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
Was war da geschehen? Wen hatte es erwischt?
Sie schüttelte den Kopf, sie wollte es einfach nicht glauben, sie…
Ihr fiel der Lichtschein auf, der aus der offenstehenden Wohnzimmertür in die Diele drang und einen handbreiten Streifen auf dem Boden hinterlassen hatte.
Jenseits der Tür saß Ivy.
Hingehen, schauen?
Sie wollte es, doch sie mußte sich erst einen innerlichen Ruck geben, um den rechten Fuß vorsetzen zu können. Und die nächsten Schritte legte sie wie auf rohen Eiern zurück.
Dann stand sie auf der Schwelle.
Ein erleichtertes Lächeln floß über ihr Gesicht, denn Ivy saß still und harmlos wirkend im Sessel.
Wo auch sonst, dachte sie und lachte vor sich hin. Sie ging auf die Puppe zu, schaute in das Gesicht und entdeckte dort die dunklen Flecken.
Sommersprossen?
Die hatte Ivy nie gehabt!
Leona Lockwood beugte sich, vor. Die Punkte und Flecken waren keine Sommersprossen, das war Blut!
***
Leona Lockwood hatte das Blut abgewaschen, die Puppe in den Schrank getragen und sich ihre Gedanken gemacht, die sich nicht um das Phänomen selbst drehten, sondern mehr um sie selbst, denn alles andere ließ sie außen vor und schaltete innerlich ab.
Es stand fest, daß sie etwas unternehmen mußte, nur durfte sie nichts Falsches tun. Sie wollte die Puppe aus dem Spiel lassen, und sie dachte daran, daß sie einmal in der Woche ihren Live-Auftritt hatte und dabei auch schauspielerische Leistungen von ihr verlangt wurden. Die würde sie in der Folgezeit auch brauchen können, denn die Polizisten würden jeden Mieter auf der Suche nach Tätern oder Zeugen befragen.
Als sie die Puppe versteckt hatte, streifte sie wieder ihren Morgenmantel über, zündete sich eine Zigarette an und goß sich einen Whisky ein.
Sie würde warten.
Die Zeit verstrich.
Im Haus hörte sie Stimmen, und sie schärfte sich noch einmal ein, Ruhe zu bewahren.
Bis es klingelte.
Die Nervosität sprang sie regelrecht an. Leona ging mit bedächtigen Schritten zur Tür. Sie öffnete und sah vor sich einen ziemlich großen Mann, bei dem sofort der Hut auffiel, den er leicht in den Nacken geschoben hatte. Sein Gesicht zeigte zahlreiche Knitter und Falten, die Augen schimmerten hell. Der Mann machte auf sie keinen unsympathischen Eindruck.
»Tut mir leid, daß wir Sie stören müssen, Madam, aber wir ermitteln in einem Mordfall. Sie sind Leona Lockwood?«
»Die bin ich.«
»Ich bin Chiefinspektor Tanner. Darf ich hereinkommen?«
»Gern, bitte.«
»Danke sehr.«
Er putzte sich sogar brav die Füße ab und wurde von Leona in den Wohnraum geführt. Schon beim Eintreten schaute sie auf den Sessel, denn sie hoffte, daß sich dort keine Blutflecke abzeichneten. Polizisten sollten ja Argusaugen haben.
Da war nichts zu sehen, auch auf der Couch nicht, wo der Chiefinspektor seinen Platz fand. »Ach, das tut gut, sich hinsetzen zu können«, sagte er, nahm seinen Hut aber nicht ab. Er schaute sich im Zimmer um. »Nett haben Sie es hier.«
»Danke.« Leona saß noch nicht, war etwas verlegen und fragte, ob sie etwas zu trinken anbieten könnte.
»Nein, nein, ich habe vorhin einen Kaffee getrunken. Wenn Sie wollen, bitte.«
»Im Moment auch nicht.« Sie ließ sich nieder.
Tanner legte die Hände gegeneinander und die Stirn in Falten. »Sie können sich bestimmt vorstellen, weshalb ich zu Ihnen gekommen bin, Mrs. Lockwood.«
»Ja und nein. Ich habe vom Fenster aus gesehen, wie die Wagen anfuhren. Da muß etwas geschehen sein.«
»Richtig.« Er räusperte sich und strich über seine graue
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