0836 - Das Puppenmonster
heranstürmte, mich anglotzte wie ein Weltwunder und plötzlich anfing zu schreien. »Die Leute spielen verrückt. Die Zuschauer sind sauer. Ein Teil ist live gelaufen, Sie haben wohl nicht alle Tassen im Schrank.«
»Halten Sie den Mund!« brüllte ich zurück.
»Das werden Sie mir bezahlen, Sinclair. Sie werden…«
Ich hörte gar nicht mehr hin, sondern ging weg. Ein Nachspiel würde es geben, aber anders, als es sich dieser Knilch vorgestellt hatte. Als wir uns aus dem Bereich der Kameras entfernt hatten, war Leona wieder in der Lage zu sprechen. Sie wollte auch nicht mehr auf meinen Armen bleiben und auf eigenen Füßen stehen.
Ich tat ihr den Gefallen, und sie klammerte sich mit beiden Händen an mir fest. Das war deshalb möglich, weil sie das Hackbeil losgelassen hatte. »Er ist noch da!« flüsterte sie. »Er ist noch da.«
»Nein, die Puppe ist…«
»Nicht sie - Gorman.«
»Und wer ist das?«
Mit einer Hand griff sie in die Kleidertasche und zerrte ein Taschentuch hervor. Um das rechte Auge herum wischte sie das Blut weg. »Gorman ist der Mann, dem die Puppe wirklich gehorcht. Sie… sie… sie ist sein Kind, nicht meins.«
»Wo finde ich ihn?«
»Hier!« flüsterte sie und krallte sich wieder fest. »Er arbeitet beim Sender. Er ist Ingenieur. Sie müssen sich beeilen…«
»Gut, gehen wir gemeinsam hin.«
Für einen Moment versteifte sich die Frau, dann nickte sie. »Unter Ihrem Schutz schon.«
Da ich mich nicht auskannte, mußte sie mich führen. Dieser Gorman war dort zu finden, wo auch der Regisseur und die anderen Techniker saßen. Der Raum war von dem eigentlichen Sendeplatz abgeteilt, es bestand auch keine Sichtverbindung.
Durch eine Tür an der Seite konnten wir ihn betreten. Diese Tür stand weit offen.
Ich drückte die Frau hinter mich, damit sie Deckung hatte, und warf einen ersten Blick in das Innere.
An der rechten Seite standen die Konsolen dicht an dicht. Darüber sah ich zahlreiche Monitore, aber auch ein großes Mischpult war vorhanden.
Genau dort saß ein Mann, der mir den Rücken zudrehte. »Das ist er!« keuchte Leona, die an mir vorbeigeschaut hatte. »Ja, das ist Sam Gorman. Er ist der wahre Teufel.«
Ich nickte und zog meine Waffe.
Dann betrat ich den Raum. Ich war froh, daß Leona zurückblieb und näherte mich dem Mann mit lautlosen Schritten. Jetzt erinnerte ich mich daran, ihn schon gesehen zu haben, denn er hatte so schnell und flüsternd auf Leona eingesprochen.
Auf halber Strecke blieb ich stehen. »Mr. Gorman?«
Keine Reaktion.
Ich ging weiter und sprach ihn noch einmal an. Er gab mir abermals keine Antwort.
Aufgefallen war mir seine steife Haltung. So saß niemand auf dem Stuhl, der eingeschlafen war. Mit Gorman mußte etwas anderes passiert sein.
Mein Verdacht erhärtete sich zur Gewißheit, als ich die Lehne des Drehstuhls an einer Seite umfaßte und den Mann herumschwang.
Da kippte er weg.
Ich fing ihn auf, sah sein Gesicht und faßte gleichzeitig in das feuchte Blut, das aus einer schrecklichen Wunde an seiner Kehle gelaufen war. In ihr steckte die Klinge eines Sägemessers.
Gorman hatte sich selbst gerichtet!
***
Leona Lockwood hockte vor der Tür am Boden. Als mein Schatten über sie fiel, hob die Frau den Kopf an.
»Sie brauchen sich nicht mehr zu fürchten.«
Es dauerte eine Weile, bis sie begriffen hatte. »Haben Sie Sam… haben Sie ihn…?«
»Nein, nicht ich. Er hat sich selbst getötet.«
Leona nickte. Dann lachte sie. Schauerlich klang es durch die Räume. Ich ließ sie lachen. Es war vielleicht gut so, das löste die Spannung, aber ich wußte noch immer nicht, wie es zu diesem Schrecken hatte kommen können. Als ich Leona danach fragte - sie hatte mittlerweile aufgehört zu lachen - da sagte sie nur: »Voodoo, eine Abart des Voodoo. Er hat es mir vor kurzem in meiner Garderobe noch gesagt. Mehr weiß ich auch nicht.«
Wir gingen los und trafen die Maskenbildnerin. »Geben Sie mir die Frau«, bat sie. »Ich werde mich um sie kümmern.«
Ich tat es, als ich sah, daß sich beide in die Arme fielen. Dann ging ich weg und hielt Ausschau nach einem Telefon…
ENDE
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