0836 - Vision der Vollendung
Erlebnis, wie es Personen in Katastrophensituationen oder in der Todesstunde hatten.
Der Betroffene sieht dann sein ganzes Leben in unglaublich kurzer Zeitspanne und äußerst komprimierter Form an seinem geistigen Auge vorbeiziehen.
Mit Hito verhielt es sich etwas anders. Er sah nicht sein früheres Leben, sondern er erlebte seine Zukunft.
Er war in seinem Körper, und er trug den Stempel seines ureigensten Charakters, war mürrisch und verschlossen und konnte cholerisch aufbrausen, wenn er glaubte, daß ihm Unrecht geschah.
Aber mit der Zeit veränderte sich sein Charakter, ohne daß er es selbst merkte. Der Einfluß der anderen sechs Bewußtseine machte sich immer mehr bemerkbar, bis die endgültige Form des Konzepts erreicht war.
Hito war nun extrovertierter, konnte sich für ästhetische Kunst begeistern und widmete sich den Geisteswissenschaften. Sein Hobby blieb jedoch die Technik. Vielleicht lag es daran, daß er sein Noemata-Kontinuum nicht so leicht zu beherrschen lernte wie die anderen Konzepte.
Es mochte aber auch sein, daß seine Ungeduld und sein eher noch gesteigertes cholerisches Temperament daran schuld waren, daß er sich mit der Paranoetik schwer tat.
Aber das störte ihn nicht. Er war ein vollwertiges Konzept und konnte sich darüber hinaus seinem Hobby als Totalenergie-Ingenieur widmen.
Diese Bezeichnung entstammte zwar dem Sprachschatz der alten Aphiliker, doch Hito behielt sie bei.
Konzept sein hieß, im Rahmen des Plans der Vollendung frei zu sein. Und Hito nahm sich alle Freiheiten heraus.
Er baute sich sein Haus drüben an der Großen Magmarinne allein mit technischen Hilfsmitteln. Keine Mauer verdankte ihr Entstehen einem Noemata-Blitz, sondern war das Produkt maschineller Fertigung.
Hito hatte die Maschinen, die die Fertigteile herstellten, selbst konstruiert. Doch er hoffte vergebens, daß sich diese Maschinen amortisierten, denn niemand kam zu ihm, um für ein Haus oder sonst eine Anlage Fertigteile fabrizieren zu lassen.
Und so wanderten Hitos Maschinen in ein Museum - wie viele andere übrigens auch.
Aber um bei seinem Haus zu bleiben - seinem liebsten Gesprächsthema - es enthielt alle erdenklichen technischen Raffinessen. Es hatte eine autarke Energieversorgung, die unabhängig von der Kunstsonne war, die über EDEN II strahlte.
Hitos Haus hatte Türen und Fenster. Man konnte sie auf Knopfdruck oder durch Funkimpulse öffnen und schließen, verdunkeln oder transparent machen - aber auf paranoetische Impulse reagierten sie nicht. Darauf war Hito besonders stolz.
Er hatte schon so manches protzige Konzept damit zur Weißglut gebracht. Er freute sich immer diebisch, wenn so ein paranoetischer Alleskönner vergeblich versuchte, kraft seines Geistes ins Haus zu gelangen. Immer wenn er versuchte, über sein Noemata-Kontinuum auf Schleichwegen einzudringen, wurde er von überregionalen Barrieren zurückgeschleudert, die Hito selbstverständlich auf hyperphysikalisch-technischer Basis errichtete.
Es gab genügend Konzepte, die es sich zum Sport gemacht hatten, in sein Haus einzudringen. Bisher vergeblich.
Aber irgendwann, das wußte Hito, würde der Tag kommen, da die Paranoetik endgültig über seine Technik siegen würde.
Er war deshalb jedoch nicht traurig. Denn wenn die Paranoetik tatsächlich so weit entwickelt war, um der Technik den Todesstoß versetzen zu können, dann würde er sich ihr unterwerfen. Inzwischen gehörte der Totalenergie-Technik sein Leben.
Eigentlich war es mehr als ein Hobby.
Das zeigte sich, als EDEN II im Ferrum-System Zwischenstation machte. Hito hatte dem Acht-Planeten-System diesen Namen gegeben, weil die von ihm entwickelten und installierten Massetaster auf allen Planeten ungeheure Metallvorkommen registrierten.
Wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei um gigantische, planetenumspannende Robotanlagen. Sie lagen still, das wiesen die Energietaster eindeutig aus.
Die Paranoetiker dagegen erklärten, daß sie von allen acht Planeten Mentalimpulse empfingen, die von lebenden Wesen stammen mußten. Und zwar Intelligenzwesen.
Um nicht einem Trugschluß zu unterliegen, sei ausgesagt, daß keine drei Prozent der Konzepte auch vollwertige Paranoetiker waren. Der Rest machte erst die ersten Tastversuche durch die noematischen Kontinua.
Achtzig der besten Paranoetiker machten sich zur Erkundung der acht Planeten auf.
Für jeden Planeten zehn. Sie erreichten alle ihr Ziel, und ihre ersten Meldungen bestätigten die Ortungsergebnisse
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